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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Geschäft. Sie denken, bei den simpel Gestrickten können sie sich mehr rausnehmen. So sein, wie sie wirklich sind.
    Wirf dich nicht mit den anderen Mädchen in einen Topf. An dir ist nichts simpel gestrickt, Wingy.
    Du bist lieb, Willie. Aber ich weiß, wer ich bin. Was ich bin. Und deshalb ist mir ein Matrose allemal lieber als ein Anlagebanker.
    Und warum?
    Banker
fragen
nicht, Willie. Sie nehmen.
    Tut mir leid, dass du dich mit solchen Burschen rumschlagen musst.
    Braucht dir nicht leidzutun. Ich hab dann wenigstens kein schlechtes Gewissen, wenn ich sie ausnehme.
    Willie lacht.
    Wingy fragt, ob er Zigaretten dabeihat. Er holt eine Packung heraus, zündet ihr eine an, legt die Packung aufs Bett.
    Wenn doch bloß alle so lieb wären wie du, sagt sie. Weißt du noch beim ersten Mal? Ich erinnere mich noch, wie du durch die Tür gekommen bist – höflich, zitternd. Dankbar. Ja, Mam. Nein, Mam. Wie am ersten Schultag. Und ich war deine Lehrerin.
    Stimmt ja auch. Warst du doch.
    Willie setzt sich auf einen Stuhl, Wingy auf die Bettkante. Sie fährt sich mit ihrer einen Hand durchs Haar. Mir fehlt dieser Willie Boy, sagt sie. Das einzig Komische war nur, dass er mich dauernd Bess nennen wollte.
    Willie sieht zur Seite. Dieser Willie Boy ist tot, sagt er.
    So wie dein reicher Onkel.
    Ja, sagt er. Stimmt.
    Gab’s eine Beerdigung?
    Ja, aber es war keiner da.
    Sie geht zu ihrem Schminktisch. Willie beobachtet sie und findet, dass sie viel älter aussieht, als sie ist, obwohl er ihr wahres Alter nicht kennt. Sie erkundigt sich nach Bess. Seine Stirnfalten werden noch tiefer.
    Ich hab ihr einen Brief geschrieben. Aber ich hatte keine Adresse, an die ich ihn hätte schicken können.
    Du hörst bestimmt noch von ihr. Wenn sie so schlau ist, wie du immer sagst, dann meldet sie sich.
    Er klopft auf seine neue Golduhr. Ich muss mal wieder.
    Ein kurzer Besuch.
    Ich muss zu einem Treffen.
    Er steht auf, zieht die Krawatte gerade und greift in seine Brusttasche. Er holt einen dicken Stapel neuer Geldscheine heraus, den er ihr mit beiden Händen hinhält. Wingy dreht sich auf ihrem Hocker um. Sie steht nicht auf, nimmt es nicht.
    Was zum Teufel ist das, Willie?
    Ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk.
    Und die Pointe?
    Ich dachte, du würdest vielleicht gern irgendwohin gehen. Darüber hatten wir doch schon geredet. Noch mal von vorn anfangen.
    Er tritt vor, legt Wingy das Geld in den Schoß. Sie berührt es, blättert die Scheine wie ein Buch durch und blickt dann auf. Ich will dein Mitleid nicht, Willie.
    Das ist kein Mitleid. Das ist mein Geld. Verdammt, und es ist noch nicht mal mein Geld.
    Sie steht auf, die Scheine flattern auf den Boden. In einem Schritt ist sie bei Willie und schlingt ihren Arm um ihn. Er erstarrt vor Schreck. Dann entspannt er sich wieder und drückt sie brüderlich.
    Er ist doch nicht tot, sagt sie.
    Wer?
    Willie Boy.
    PORTIER:
    Frohe Weihnachten, Sir.
    SUTTON:
    Dir auch frohe Weihnachten, Kleiner. Sag mal, könnte es wohl sein, dass 8 C leer steht? Ein Freund von mir hat da mal gewohnt, und ich dachte, ich könnte mich dort kurz umsehen. Um der alten Zeiten willen.
    PORTIER:
    Moment mal. Sind Sie nicht Willie the Actor?
    SUTTON:
    Ja.
    PORTIER:
    Willie the Freakin Actor?
    SUTTON:
    Einige nennen mich so.
    PORTIER:
    Willie the Actor an meiner verdammten Tür? Okay, das haut mich jetzt aber um. Mein alter Herr glaubt mir das nie im Leben. Er ist Ihr größter Fan, Mr Sutton. Lauf, Willie, lauf, genau das sagt mein alter Herr immer, wenn Sie in der Zeitung sind. Es gibt drei große Willies in New York, sagt mein alter Herr – das sind Willie Mays, Joe Willie Namath und Willie the Actor.
    SUTTON:
    Das ist aber nett von dir.
    PORTIER:
    Hey, Mann. Ich meine – Mann. Würden Sie mir vielleicht ein Autogramm geben, hier auf die Zeitung?
    SUTTON:
    Na klar.
    PORTIER:
    Hier. Unterschreiben Sie gleich hier. Unter Ihrem Bild. Bitte. Schreiben Sie – Für Michael Flynn: Weil dort das Geld lag. Michael Flynn, das ist mein alter Herr. Ich bin Tim Flynn. Was zum Teufel tun Sie hier, Mr Sutton?
    SUTTON:
    Ich bin gestern rausgekommen.
    PORTIER:
    Wer weiß das nicht. Aber hier?
    SUTTON:
    Ich schwelge in Erinnerungen. Besuche alte Schlupfwinkel. Ich kannte früher mal jemanden in diesem Haus und dachte, ich könnte vielleicht seine Wohnung sehen.
    PORTIER:
    8C? Tja, da wohnen die Monroes. Bescheuerte spießige Arschlöcher der Extraklasse, unter uns gesagt.
    SUTTON:
    Tatsächlich?
    PORTIER:
    Wenn sie nicht da wären,

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