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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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einem Porterhousesteak mit Zwiebeln erklärt Willie seinem Freund, dass es Zeit wird. Zeit, eine eigene Bande zu gründen.
    Eddie nickt.
    Was ist, Eddie? Etwas mehr Begeisterung hätte ich schon erwartet. Genau das hast du doch immer gewollt, dass es richtig zur Sache geht. Mit Banken.
    Eddie schüttelt eine Chesterfield aus Willies Packung, zündet sie an, nimmt einen tiefen Zug. Ich hab schlechte Nachrichten, Sutty.
    Schieß los.
    Deine alte Freundin ist wieder in der Stadt.
    Oh.
    Sie heiratet.
    Willie schiebt sein Steak beiseite. Betrachtet seine Hände. Ragtime.
    Wo?
    Baptistenkirche.
    Wann?
    Heute, Kleiner. Soweit ich weiß, ist es eine arrangierte Sache. Der Bräutigam hat Geld. Seiner Familie gehören jede Menge Lagerhäuser hier am Wasser.
    Willie steht auf, schwankt aus dem Steakhaus. Ein Gemüselaster kommt die Straße entlanggebrettert, prescht durch die Pfützen. Willie und Eddie werden sich später nie darüber einig, ob Willie es sich im letzten Moment anders überlegt hat oder ob Eddie gerade noch rechtzeitig aus dem Steakhaus gerannt kam.
    Sie gehen über den Times Square. Eddie beschwört Willie, nicht in die Hochzeit hineinzuplatzen.
    Ganz unabhängig davon, dass es dich umbringen würde, wenn du es mitansehen müsstest, Sutty. Ihr alter Herr könnte dich einbuchten lassen.
    Wofür? Ich bin nicht mehr auf Bewährung.
    Ihm gehört Brooklyn. Er braucht keinen Grund.
    Eddie hat nicht unrecht. Willie überlegt, ob er sich verkleiden soll. Er geht sogar in ein Geschäft für Theaterkostüme, probiert einen Homburghut und einen falschen Bart an. Doch dann kommt er zu dem Schluss, dass der alte Endner ihn ruhig sehen soll. Dass Bess ihn sehen soll – in vollem Staat. Er gönnt sich eine Kopfmassage, eine Bartrasur und einen Haarschnitt. Er zieht seinen neuesten Anzug an, mit weißen Streifen und breitem, spektakulärem Revers. Nachmittags um vier, als die kleine alte Dame mit dem Blümchenhut die Orgeltasten drückt, sitzt Willie fünf Reihen vom Altar und zwei von den Rockefellers entfernt, in der Brusttasche den Diamantring. Nur für den Fall.
    Mr Endner, der Bess durch den Gang führt, sieht Willie zuerst. Er zupft an seinem Schnurrbart. Er will die Feier stoppen, die Cops rufen. Nein – seine Augen verengen sich zu wässrigen Schlitzen, und sein Schnurrbart weitet sich zum Fächer über einem gelbzahnigen, breiten Grinsen. Weil Willie zu spät kommt.
    Dann sieht ihn Bess. Sie bleibt stehen, lässt ihren Strauß sinken. Goldgelbe Blumen, passend zu ihren goldgetupften Augen, die sich schnell mit Tränen füllen. Sie sagt lautlos etwas zu Willie, er weiß nicht genau, was.
    Nein, Willie, nein.
    Oh, Willie, oh.
    Geh, Willie. Geh.
    Dann eilt sie weiter, vorbei an Willie, den Rockefellers, und mit jedem ihrer Schritte hat Willie das Gefühl, als würde sein Lebensfaden um ein weiteres Jahr gekürzt. Am Altar dreht sie sich zu ihrem Bräutigam. Willie fährt von der Bank hoch, stürmt den Gang entlang und zur Kirche hinaus. Erst am Meadowport hört er auf zu rennen. Stundenlang sitzt er da und starrt auf den Ring. Schließlich legt er ihn auf den Boden und geht weg.
    Dann dreht er sich um und holt ihn wieder. Er steckt ihn in seine Brusttasche und beschließt, ihn zu behalten. Nur für den Fall.
    KNIPSER:
    Er schläft.
    SCHREIBER:
    Du machst Witze.
    KNIPSER:
    Außerdem schnarcht er.
    SCHREIBER:
    Unglaublich.
    KNIPSER:
    Willie the Actor.
    SCHREIBER:
    Können wir bitte das Radio leiser stellen? Ich hab irrsinnige Kopfschmerzen.
    KNIPSER:
    Das sind die Rolling Stones, Alter.
    MICK JAGGER:
    Oh Yeah!
    SCHREIBER:
    Was bedeutet der Song eigentlich? Warum sind Vergewaltigung und Mord nur einen Schuss weg?
    KNIPSER:
    Genau das ist dein Problem – alles muss etwas bedeuten. Wohin fahren wir noch mal?
    SCHREIBER:
    Times Square. Gegen unseren Willen.
    KNIPSER:
    Vielleicht sind wir entführt worden und wissen es nur nicht.
    SCHREIBER:
    Durchaus möglich.
    KNIPSER:
    Hey, hast du vor ein paar Tagen Laura in ihrem lila Rock gesehen?
    SCHREIBER:
    Die nächste rechts.
    KNIPSER:
    Sie ist das schärfste Mädchen in der Zeitung, wenn du mich fragst.
    SCHREIBER:
    Tu ich nicht.
    KNIPSER:
    Was tust du nicht?
    SCHREIBER:
    Dich fragen. Rechts abbiegen, hab ich gesagt. Toll. Jetzt hast du’s verpasst.
    KNIPSER:
    Apropos Damen, was ist eigentlich mit deiner?
    MICK JAGGER:
    Oh!
    SCHREIBER:
    Ich muss die Musik leiser stellen. Wo ist der Knopf für die Lautstärke?
    KNIPSER:
    Abgefallen.
    SCHREIBER:
    Dieser Polara ist eine einzige

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