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Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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ungeduldig.
    »Ja, was denn nun?!«
    »Ich bin Polizeibeamter im Ruhestand«, sagt der Faller.
    »JA UND?!«
    Das war laut.
    »Ja«, sagt der Faller, »und als Polizeibeamter im Ruhestand brauche ich keinen Angelschein.«
    Ich finde, er klingt ein bisschen gönnerhaft.
    »WO STEHT DAS DENN?!«
    Das war sehr laut.
    »Nirgends«, sagt der Faller. »Das is’ einfach so.«
    »Ha«, sagt der Ordnungsamtmann, »wusste ich’s doch.«
    Das hat gezischt.
    Die beiden stehen sich gegenüber, in der Gluthitze vorm Kaispeicher. Der eine in weißem Hemd und Strohhut, der andere in dunkelblauem Hemd und Uniformmütze, auf beiden Hemden zeichnen sich große nasse Flecken ab. Ich stehe so, dass ich die beiden jederzeit auseinanderziehen könnte, falls sie aufeinander losgehen sollten. Und ja, ich habe das Gefühl, das könnte passieren. Die Situation könnte kippen. Wobei der Stress in der Luft definitiv nicht vom Faller versprüht wird. Der wirkt, als hätte er einen Ruhepuls von unter sechzig.
    »Schluss jetzt mit den Faxen«, sagt der Mann vom Ordnungsamt. »Her mit der Angel und den Personalien, und dann gibt’s ein dickes Bußgeld, Herr Polizeibeamter im Ruhestand.«
    »Nö«, sagt der Faller. Er dreht sich weg, setzt sich wieder auf sein Stühlchen, zündet sich eine Roth-Händle an, nimmt seine Angel in die Hand und seufzt gemütlich. Und ich fresse einen Besen, wenn er heute in Gegenwart des Ordnungsmenschen noch einmal den Mund aufmacht.
    »Also, mir reicht’s jetzt. Ich komme morgen wieder. Und wenn Sie dann hier immer noch sitzen und angeln, schalte ich die Polizei ein.«
    Der Faller reagiert nicht, zieht nur seinen Hut ein Stückchen tiefer ins Gesicht.
    Ich sage dem Mann vom Amt, dass er das gerne machen kann, die Polizei einschalten. Dass er aber nicht damit rechnen soll, dass die Beamten ihren alten Kollegen Faller anrühren, das würden die nämlich nicht wagen. Nicht wegen eines fehlenden Angelscheins.
    Er schüttelt den Kopf und macht sich vom Acker.
    Der Faller blinzelt aufs Wasser und grinst sich einen.
    Ich setze mich neben ihn. Und wie ich ihn so grinsen sehe, fällt mir wieder auf, wie furchtbar das ist, ihn nicht mehr Tag für Tag an meiner Seite zu haben. Das ist nicht fair.
    »Was ist passiert?«, fragt er.
    »Was soll passiert sein?«
    »Verarschen Sie mich nicht, Chas. Ich seh Ihnen doch an, dass was los ist.«
    Ich zünde mir eine Zigarette an, hole tief Luft und sage: »Carla ist vergewaltigt worden. Von zwei Typen. Die haben sie richtig übel zugerichtet.«
    Der Faller nimmt seinen Hut ab, wuchtet sich aus seinem Stuhl hoch, setzt sich neben mich auf den staubigen Boden und nimmt mich in den Arm.
    Ich verliere auf der Stelle die Fassung. Erst läuft ein Zucken durch meinen Körper, dann fange ich an zu heulen. Verdammter Bockmist. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass so was in der Art passieren könnte. Und jetzt, wo es einmal angefangen hat, ist es nicht mehr aufzuhalten. Mir laufen die Tränen aus den Augen, als wäre da eine Gießkanne in meinem Kopf. Super. Chastity Riley, knallharte Staatsanwältin und unstoppable Teardropmachine. Gefürchtet wegen ihrer gnadenlosen Heulkrämpfe. Ich wische mir mit den Händen übers Gesicht und atme tief durch, aber es hilft nichts, ich kriege mich einfach nicht wieder ein. Der Faller hält mich fest und streicht mir übers Haar.
    »Es kommt vor«, sagt er, »dass es in unserem Leben noch furchterregender zugeht als in unserem Job.«
    Richtig, denke ich, das weiß ich ja auch. Nur hat es sich eine lange Weile angefühlt, als hätte ich alles im Griff. Aber jetzt schwimmen plötzlich in meiner heißgeliebten Elbe Leichenteile rum, und meine einzige Freundin ist brutal vergewaltigt worden und liegt in einem komatösen Schlaf, der ein bisschen so ist, als wäre sie tot. Und statt was zu unternehmen, sitze ich hier und heule. Scheiße, ist das peinlich, ich schäm mich ja vor mir selbst.
    Ich mache mich los, stehe auf, wische mir noch mal übers Gesicht und klopfe mir den Staub von der Hose. Ich hasse das, wenn mich jemand zum Heulen bringt. Ich werd mir den Faller jetzt mal vorknöpfen.
    »Und was zum Teufel ist eigentlich mit Ihnen los, alter Mann?« Er lehnt sich ein Stück zurück und kuckt mich an, als wäre mir gerade ein Dampfer aus dem Kopf gewachsen.
    »Was sitzen Sie hier rum und angeln sinnlos durch die Gegend?«
    Er steht auf und setzt sich wieder auf seinen Stuhl.
    »Was soll der Mist? Warum sind Sie nicht mehr bei der Kripo? Warum haben Sie

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