Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Sonne gekuckt. Ich drücke mich fester an ihn.
*
Als ich heute Morgen aus dem Haus gegangen bin, hat sie immer noch geschlafen.
»Sie schläft seit fast zwanzig Stunden«, hat Klatsche gesagt.
»Seit genau neunzehn Stunden und fünfzehn Minuten.«
»Was?«
»Nichts.«
Klatsche weiß nichts von meinem Zahlendings. Es ist mir peinlich.
Ich sitze in der Staatsanwaltschaft und blättere in den Akten zum Menschenhändler-Prozess. Das müsste leicht werden, die Herrschaften rundherum einzuseifen. Da hat der Calabretta richtig gute Arbeit geleistet, alles wasserdicht. Ich bin ja mal gespannt, worauf die Anwälte von den Typen die Verteidigung aufbauen wollen. Wenn ich mir das hier so anschaue, kann man eigentlich nur nicken und sagen: Alles klar, wir nehmen fünf Jahre im Bau, danke schön, tschüs.
Ich mache mir ein paar Notizen an den Rand, stelle meinen Tischventilator näher an mein Gesicht und denke darüber nach, ob ich mal bei den Kollegen vom Dezernat für Sexualdelikte nachhaken soll. Ich weiß, dass die ohne Carlas Aussage nicht viel machen können, aber immerhin müssten sie inzwischen ihren Keller geflöht haben. Vielleicht hat sich da ja schon was gefunden, womit man was anfangen kann.
Ich überlege, was der Faller tun würde. Der Faller würde da nicht anrufen. Profis nicht bei der Arbeit stören, sagt er immer. Er hat natürlich recht. Was soll ich da anrufen.
Ich zünde mir eine Zigarette an. Sie schmeckt irgendwie bitter.
*
Es ist so gegen vier, als sich in meinem Kopf die Aussagen und Ermittlungsdetails zu einer klumpigen Masse verkleben. So kann man einfach nicht arbeiten. Die Kollegen sind auch schon alle weg, keine Sau mehr da. Ich klappe die Akten zu, schließe sie ein und mache mich auf den Weg zum Faller. Mir ist nach altem, frustriertem Ex-Kommissar.
Als ich in der Speicherstadt ankomme, setzt sich die Hitze wie ein Helm auf meinen Kopf, die mächtigen Rotklinkerspeicher haben die engen Gassen und Fleete in einen gigantischen Backofen verwandelt, und meine Stiefel kleben an den Teerfugen zwischen den Pflastersteinen fest. Es weht kein Lüftchen. Ein Hammer für diese Stadt. So was gibt’s hier eigentlich gar nicht. In der Speicherstadt ist es immer kühl. Dafür ist sie verdammt noch mal gebaut worden. Im Radio haben sie vorhin irgendwann gesagt, dass es am Nachmittag einen neuen Temperaturrekord geben wird, 36 Grad, glaube ich, ich weiß es nicht mehr genau. Ich würde sagen, wir kratzen an der Vierzig-Grad-Grenze.
Es ist kein Mensch unterwegs. Hansestadt Hamburg, jetzt auch als Italo-Western. Ich rufe bei Klatsche an.
»Carla war eben für zwei Minuten wach«, sagt er. »Hat eine Flasche Wasser getrunken. Jetzt pennt sie wieder.«
Ich bleibe stehen, zünde mir eine Zigarette an und klebe sofort fest.
»Hat sie was gesagt?«
»Internationale Härte«, sagt er.
»Was?«
»Sie hat internationale Härte gesagt.«
»Sonst nichts?«, frage ich.
»Sonst nichts«, sagt er. »Und dann hat sie sich umgedreht und ist sofort wieder eingeschlafen.«
»Danke, dass du auf sie aufpasst«, sage ich.
»Klar«, sagt er. »Wo bist du?«
»Auf dem Weg zum Faller«, sage ich.
»Gut so«, sagt Klatsche. »Grüß schön.«
Ich schmeiße meine Kippe weg. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber es ist einfach zu heiß zum Rauchen.
*
Der Faller ist nicht alleine. Da steht ein junger Mann in Uniform vor ihm. Sie reden miteinander. Der Mann ist vom Ordnungsamt. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, mein alter Kollege hat keinen Angelschein. Guck mal einer an. Der Faller ist beim Wildern erwischt worden. Ich kann schon von weitem sehen, dass beide Herren ordentlich schwitzen, der junge wie der alte.
Der Faller sieht mich kommen und hebt dankend die Hände zum Himmel.
»Chas, sagen Sie ihm doch bitte, dass ich keinen Angelschein brauche.«
»Herr Faller braucht keinen Angelschein«, sage ich, auch wenn ich keinen Schimmer habe, warum das so sein könnte.
»Aha«, sagt der Mann vom Ordnungsamt und wippt einmal auf die Zehenspitzen und zurück. Er hat keine schöne Stimme. Seine Stimme hat keinen Klang. Die ist merkwürdig dünn. Er klingt wie ein kleiner Nazi-Scherge in einem billigen Hollywoodfilm. »Und warum nicht, wenn ich fragen darf? Weil der Herr Faller in Wirklichkeit vielleicht Zorro ist?«
»Zorro ist er nicht«, sage ich. Auch wenn mich langsam der Verdacht anspringt, dass der Faller sich für irgendwas in der Art hält.
Der Mann in Uniform wird
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