Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Pakete sich in den Schlick gegraben haben. Aber als die Fahrrinne freigebaggert wurde, sind sie zum Vorschein gekommen. Der Zeuge, der das Baggerschiff gefahren hat, heißt Hein Trochowski. Er wurde nach beiden Funden vernommen, die Protokolle zu den Vernehmungen haben Sie alle in Ihren Akten.«
Er blättert um.
»Die Identität der beiden Toten ist geklärt. Bei dem Fund vom Donnerstag handelt es sich um einen gewissen Dejan Pantelic, der Mann kam Mitte der Neunziger aus Ex-Jugoslawien. Er war einunddreißig Jahre alt, hatte keinen festen Job und wohnte bei seiner Freundin in Horn. Sie hat ihn Montag letzter Woche vermisst gemeldet. Zum letzten Mal gesehen wurde er am Freitag von zwei Freunden, in der Kneipe Zum Silbersack auf Sankt Pauli. Das war gegen zwei Uhr morgens, da hat Pantelic sich verabschiedet und sich angeblich auf den Weg nach Hause gemacht. Die Freunde wurden vernommen, auch die Protokolle liegen in den Akten. Was wir noch über den Mann wissen: In seinem Umfeld galt er als unbeherrscht und sogar gewalttätig. Er soll seiner Freundin hin und wieder eine gelangt haben, was die natürlich bestreitet. Aber strafrechtlich war der Typ noch nicht auffällig geworden.«
»Gibt’s irgendeine Verbindung zu dem zweiten Toten?«, frage ich.
Der Brückner schüttelt den Kopf.
»Außer der Tatsache, dass der auch zuletzt auf dem Kiez gesehen und ein paar Tage später vermisst gemeldet wurde – keine«, sagt er. »Der Mann hieß Jürgen Rost. Er war zweiundvierzig Jahre alt und ist vor drei Wochen verschwunden. Er arbeitete als Fahrer für ein privates Busunternehmen und wohnte in einem Zwei-Zimmer-Apartment in Bahrenfeld. Keine Familie, keine feste Freundin, kaum Frauengeschichten. Zuletzt gesehen wurde er von einer Kellnerin in der Rutsche, das ist so ein fieser Partyladen auf dem Kiez, da war er Dauergast und wohl immer gut besoffen. Ansonsten führte der ein total unauffälliges Leben.«
»Wer hat ihn vermisst gemeldet?«, frage ich.
»Sein Chef«, sagt er, »der hat sich Sorgen gemacht, als er eine Bustour platzen lassen musste, weil Rost nicht aufgetaucht ist. War wohl überhaupt nicht seine Art. Sein Chef sagt, er sei sehr gewissenhaft gewesen. Mehr wusste der aber nicht über seinen Angestellten zu sagen.«
Der Brückner klappt seine Mappe zu.
»Soviel von unserer Seite«, sagt er.
»Gibt’s schon einen konkreten Ermittlungsansatz?«, fragt unser Psychologe. »Irgendeine Richtung?«
»Geht gegen null«, sagt der Calabretta, »wir tappen durch die tiefe, dunkle Nacht.« Er zeigt mit der rechten Hand zur Spurensicherung. »Bitte schön.«
Der Langweiligere von beiden streicht seine Akte glatt.
»Wir haben keine Fingerabdrücke auf dem Verpackungsmaterial und keine Fasern auf den Leichenteilen. Der Täter hat Handschuhe benutzt und die Opfer offenbar gründlich sauber gemacht. Als wären die sandgestrahlt worden oder zumindest ordentlich geschrubbt. Die schwarzen Müllsäcke und das Paketband sind Standard, die kriegt man in jedem Drogeriemarkt. Die Steine sind ein bisschen interessanter. Da haben wir Spuren von Rasen und Blumenerde gefunden. Die wurden also nicht einfach am Elbstrand gesammelt. Die stammen aus einer kultivierten Anlage, einem Park oder einem Garten oder so was.«
Der andere Spurenmann setzt sich gerade hin.
»Und wir haben ein Haar«, sagt er.
Alle horchen auf. Ein Haar ist immer ganz, ganz toll.
»Ein langes, dunkelblondes, lockiges Frauenhaar.«
»So gründlich wurde dann wohl doch nicht sauber gemacht«, sagt Herr Borger und lächelt und notiert sich was in sein Psychologenbuch.
»Das Haar haben wir in der Frisur von Dejan Pantelic gefunden«, sagt der erste Spurenmann.
»Vielleicht hat er auf seiner Kieztour ein kleines Abenteuer erlebt«, sagt Betty Kirschtein.
»Vielleicht ist ihm genau dieses Abenteuer zum Verhängnis geworden«, sagt der Calabretta und sieht Betty Kirschtein an. Für meinen Geschmack sieht er sie wieder mal ein bisschen zu lang an. Was soll’s. Haben inzwischen eh alle geschnallt. Ist ja kein Geheimnis mehr, dass der Calabretta versucht, bei unserer schicken Pathologin zu landen. Betty Kirschtein lächelt kurz, schnickt ihren kleinen roten Pony aus ihrem zierlichen Gesicht und widmet sich dann mit großer Hingabe der Betrachtung ihrer Fingernägel. Leider hat Betty auch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie sich einen Scheiß für unseren Commissario interessiert.
»Das war’s aus der KTU«, sagt der zweite Spurentyp, und beide klappen
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