Knautschgesicht und Fiedelfranz
nicht!“ Fiedelfranz schüttelte den Kopf und ließ den Bogen über die vier Saiten hüpfen.
„Was habt ihr zum Beispiel am Sonntagabend gemacht?“
„Wir sagen keinen Ton, Schnüffler. Das haben wir gar nicht nötig!“ giftete Fiedelfranz.
„Heiliges Kanonenröhrchen, so ein Kokolores. Wenn nicht ich euch frage, fragt euch irgendwann die Polizei. Also, was war am Sonntagabend los?“
„Gut“, meinte Knautschgesicht, „wir haben ferngesehen. Das tun wir immer am Sonntagabend. Irgendeine Entspannung braucht der arbeitende Mensch ja... Was sonst noch, Dicker?“
In dieser Sekunde durchblitzte es Balduin Pfiff mit solcher Gewalt, daß er sogar das Luftholen vergaß. Heiliges Kanonenröhrchen und ei der Daus, und das mit ihm, dem schlauesten Detektiv dieser Stadt. Der kleine Detektiv spürte, wie der Zorn langsam in ihm aufstieg. Auch Knautschgesicht schien zu spüren, daß da plötzlich was Bedrohliches auf ihn zukam. Mit finsterer Miene wandte er sich seinem Bruder zu. „Ich habe keine Lust mehr, Franz. Gehen wir nach Hause. Der kleine Schnüffler hat mir die Freude am Betteln für heute verdorben.“
Fiedelfranz, nicht ungehalten über den Vorschlag, stimmte zu: „Wenn du meinst, daß wir es bei dem Kilo belassen, meinetwegen.“
Balduin Pfiff jedoch winkte ab. „Nur keine Aufregung. Geigt immer schön weiter. Vielleicht bringt ihr noch ein zweites Kilo zusammen. Ich bin überzeugt, daß wir uns bald Wiedersehen! Schon sehr bald. Komm, Pinsel!“
„Wir legen keinen Wert auf ein Wiedersehen!“ rief Knautschgesicht ihnen nach. Und auch Fiedelfranz hielt mit seiner Meinung nicht zurück:
„Auf einen Schnüffler können wir gern verzichten...!“
Diesmal mußte Pinsel im Auto bleiben.
Genauer: im Taxi. Und Herr Blaumichel hatte versprochen, wenn es länger dauern sollte, ihn zwischendurch mal an einen Baum zu führen. Dabei war das gar nicht so leicht, da es hier, hinter dem Güterbahnhof, gar nicht so viele Bäume gab.
Balduin Pfiff sah auf die Uhr: 22 Uhr 10.
Sie hatten lange auf die Heimkehr der Brüder warten müssen. Anscheinend war der Hasenrücken von ihnen in einem Restaurant verspeist worden.
„Ich gehe jetzt!“
„Ist gut, Herr Pfiff“, flüsterte Herr Blaumichel beklommen. „Da fällt mir noch eine Frage ein: Was soll ich tun, wenn Sie um Mitternacht noch nicht wieder zurück sind?“
„Um Mitternacht liege ich im Bett, Herr Blaumichel. Darauf können Sie ein Pferd verwetten!“
Diesmal war es nichts mit forschem und energischem Links-zwo-drei-vier. Balduin Pfiff huschte dahin, ohne auch nur ein Geräusch zu verursachen. Zehn Minuten später erreichte er das frühere Kohlenlager. Es lag völlig im Dunkeln. „Hallo!!“ rief er leise. Kaum wahrnehmbar rief eine Stimme zurück: „Wir sind alle da! Wir haben die beiden kommen sehen.“
„Dann bis gleich!“
Der kleine Detektiv setzte seinen Weg fort.
Bald hatte er die Rückseite des Wagens Nr. 17 erreicht. Die Fenster waren erleuchtet. Leise drang Gesang nach draußen. Er kam entweder aus dem Fernsehapparat oder aus dem Radio.
Und dann stand Balduin Pfiff genau im Rücken eines Mannes, der ihn allem Anschein nach von der anderen Seite her erwartete. Er stieß ihm den Zeigefinger zwischen die letzte und vorletzte Rippe, und wie abgeschossen flogen die Arme des Wartenden nach oben. „Grapschst du nach den Sternen, oder willst du Äpfel pflücken?“ flüsterte Balduin Pfiff kichernd. Der Mann fuhr herum und schimpfte flüsternd:
„Mensch, Sie können einen aber erschrecken!“ Und nach einer Atempause zischte er aufgebracht: „Wenn ich gewußt hätte, was mir alles bevorsteht, hätte ich auf den Fünfziger verzichtet.“
„Tut mir leid, Kürbis. Woher sollte ich wissen, daß Knautschgesicht und Fiedelfranz ausgerechnet heute groß ausgehen würden?“
„Und wie geht’s nun weiter?“
„Ich gehe jetzt hinein. Du folgst in genau zwei Minuten. Alles klar?“
„Alles klar, Sherlock Holmes!“
Sekunden später wiederholte Balduin Pfiff das, was er vor über zwölf Stunden schon einmal getan hatte: Er klopfte mit dem Knauf seines Regenschirms gegen die Waggontür.
Die schwere Tür schwenkte auf, Fiedelfranz schien sehr hellhörig zu sein. Noch bevor es dem Bettelgeiger jedoch einfallen konnte, die Tür zuzuziehen, war es bereits zu spät: Mit katzenhafter Behendigkeit hatte Balduin Pfiff die Plattform erklommen und stand nun Nase an Nase vor Fiedelfranz.
„Hehehe, so schnell sieht man sich wieder, was?“
Der
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