Knecht – Die Schattenherren II
gefällt Euch also nicht.«
Sie setzten sich auf zwei mit schwarzem Samt bezogene Sessel an einen runden Tisch in der Mitte des Raums, direkt unter dem vor Kerzen überbordenden Leuchter. Bren lehnte den Schild neben sich an und legte den Morgenstern über seine Schenkel. »Ihr wollt mir nicht sagen, wer mein Kommen angekündigt hat?«
»Verzeiht, General. Selbst jemand, der ein solch bescheidenes Leben führt wie ich, hängt an ebendiesem. Wollt Ihr etwas trinken?«
»Ich bin sicher, der Schattenfürst hat Euch angemessen entlohnt. Wir können also auf Höflichkeiten verzichten. Vermutlich seid Ihr angewiesen worden, mir Eure Ghoule zu zeigen?«
»Ich habe mir erlaubt, eine für den Anlass passende Auswahl zu treffen.«
»Lasst mich raten. Nicht allzu tumb, gemessen an ihrer Art auch körperlich agil, dennoch kräftig.«
»Und natürlich bestens erzogen. Ich habe mich ihnen selbst gewidmet. Sie sind wie Kinder für mich.«
»Wird Euch der Abschied sehr schmerzen?«
»Zwei von ihnen durfte ich schon in ihrem früheren Leben kennenlernen. Ich war bei ihrer Verwandlung zugegen. Ich wäre Euch verbunden, brächtet Ihr sie mir unversehrt zurück.«
»Das wird sich kaum einrichten lassen.«
Monjohr zuckte mit den Schultern. »Wie sagt man? Das Herz eines Mannes muss groß genug sein für hundert Frauen und tausend Kinder.«
»Dann sollten wir keine Zeit verlieren. Zeigt mir Eure Kinder. Vielleicht schließe ich sie auch in mein Herz.«
Monjohr und Bren würden niemals Freunde werden, wie das eisige Schweigen bezeugte, das sie auf dem Weg um die Festtafel herum bis zu dem niedrigen Tor begleitete, das in die Katakomben führte. Sechs Untote hatte Monjohr für ihn ausgewählt. Sie hatten frische, sackartige Kleidung bekommen. Ihre blaugrüne Haut glänzte im Licht der Öllampe, in dem Monjohr sie präsentierte. Sie waren tatsächlich makellose Vertreter ihrer Gattung. Das war selten. Während der Umwandlung kam es oft zu Verwachsungen, die einen Ghoul humpeln ließen, seinen Rücken so tief beugten, dass er den Kopf kaum genug heben konnte, um geradeaus zu blicken, oder ein Gelenk versteiften. Diese sechs waren zwar auch keine Schönheiten – jedenfalls nicht, wenn man jemand anderen als Monjohr fragte – und bei Weitem nicht so geschmeidig wie ein Mensch, aber ihre überlangen Arme waren voll beweglich und ihreHaltung so aufrecht, wie es für einen Ghoul nur denkbar war. Aus ihren tief liegenden Knopfaugen sprühte Bren nicht gerade ein Feuerregen an Klugheit entgegen. Stattdessen war da etwas auf dem Grund der tiefen, bösen Schwärze. Sehnsucht, die während der Umwandlung nicht gänzlich erstickt worden war. Nach dem Leben? Nach dem Tod? Nach Erinnerungen oder Vergessen? Wer wusste das schon. Die Sprachfähigkeit von Ghoulen ging über Schmatzlaute und ein gelegentliches Röcheln nicht hinaus.
Als Bren sie durch die Straßen zum Königspalast führte, fragte er sich, was seine eigene Sehnsucht war. Seine wirklich eigene . Diejenige, die aus ihm selbst kam, aus dem Herzen, das in seiner Brust schlug, das so tapfer sein konnte und doch auch so wankelmütig, so leicht zu verführen. Was war echt, was aufgezwungen?
Nun, da Lisanne fort war, erkannte er wieder klar, dass die Verehrung für sie eine Kraft war, mit der sie ihre Umgebung überspülte, wie der Bug eines Schiffes Wellen über das Wasser schob. Gelehrte mochten sich darüber streiten, ob es ein Zauber war oder eine der Gaben, die Osadroi manchmal ausbildeten, wie die Möglichkeit, sich in Nebel zu verwandeln.
Die völlige Ergebenheit, die bis zur Selbstaufgabe reichte, war also etwas, das von Lisanne kam, nicht aus Bren heraus. Aber was war mit der Bewunderung? War sie nur ein Nachwehen ihrer Präsenz? Oder ein Urteil, das über die vergangenen Wochen in Bren gereift war? War die Schattenherzogin denn nicht bewundernswert? Wer sonst hatte jemals ELIEN VITAN die Stirn geboten und lange genug gelebt, um davon berichten zu können? Wer hatte den Hof von Orgait, ja die gesamte Elite Ondriens jemals in solche Aufregung versetzt?
Gab es in Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft, hier oder an irgendeinem anderen Ort, in dieser Wirklichkeit oder einer anderen, in Traum oder Wachen ein Wesen, das ebenso schön war wie Lisanne?
Aber er wollte ja nicht Lisanne töten, sondern Helion. Sie hätte Jahrhunderte, um den Schmerz zu überwinden. Vielleicht würde ihr diese Tat sogar helfen, sagte er sich. War es nicht eine seltsame Leidenschaft, die die
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