Knight 02 - Stuermisches Begehren
raus mit Ihnen.“
Rollos Herz schlug derart heftig, dass er befürchtete, es würde ihm den Dienst versagen. Ihm tat alles weh. Er sah Sophia an, doch die erwiderte seinen Blick nur ausdruckslos, und dann schaute er in Bardous irrsinnige hellblaue Augen. „Raus, habe ich gesagt“, knurrte der Mann.
Rollo wartete nicht länger ab. Er floh.
Claude Bardou starrte die Tür an, die Greene hinter sich zu- geschlagen hatte, und wandte sich dann an Sophia. „Ich trau
ihm überhaupt nicht.“
„Du traust niemandem, Claude. Dazu bist du nicht in der Lage. Du traust ja nicht mal mir.“
„Vor allem dir nicht“, erwiderte er mit gepresstem Lä- cheln. „Geh ihm nach. Schnell. Los.“
Sie seufzte genervt. „Muss das sein?“
„Ich wittere Verrat. Wenn er mich betrügt, bring ihn um.“
„Claude, ich kann den Amerikaner nicht umbringen. Er ist doch dein Verbindungsmann!“
„Ich brauch ihn nicht mehr. Tu, was ich dir sage, Sophia. Tu es für mich“, murmelte er. In seiner leisen Stimme schwang ein eisig warnender Ton mit.
Sie starrte ihn einen Moment lang rebellisch an, zog ihre Waffe heraus, prüfte sie und schob die Pistole dann wieder ins Halfter zurück, zu dem scharfen Dolch.
„Halt mich auf dem Laufenden. Und, Sophia“, fügte er hinzu, „versuch nicht abzuhauen.“
„Nie im Leben, Liebling.“ Sie nahm ihren langen, pelzge- fütterten Mantel über den Arm und ging. Beim Hinausgehen warf sie ihm einen bösen Blick zu.
Kurz darauf klopfte es an die Tür. Wie pünktlich diese Engländer doch sind, dachte Bardou spöttisch. Er platzierte das Monokel im rechten Auge, strich sich über die kurzen Haare und ging zur Tür, wobei er sich innerlich auf die Rol- le des preußischen Barons Karl von Dannecker einstimmte. Claude Bardou hatte es nicht für nötig befunden, seinen amerikanischen Geldgebern zu verraten, dass er nicht nur politische Rache üben wollte, sondern auch eine persönliche Rechnung zu begleichen hatte. Und dafür war es erforder- lich, dass ihn Ethan Stafford in die Londoner Gesellschaft einführte. Zwei Mal schon hatten sie sich unter den ton ge- mischt, und Bardou hatte vorsichtige Erkundigungen nach seinem verhassten Feind eingezogen. Bardou hatte entschie- den, der einzige Weg, wie er Napoleons demütigende Nieder- lage verwinden könne, bestehe darin, den unentschiedenen Privatkrieg mit Lucien Knight zu gewinnen. Der einzige Mann, der sich nicht hatte brechen lassen – sein Gefangener, der, so unglaublich es auch sein mochte, die Oberhand behal- ten hatte.
Wenn er Lucien Knight nur auslöschen könnte – alles an- dere würde er ertragen: den Fehlschlag der Mission, der er
sein Leben geweiht hatte, Bonapartes schändliche Abdan- kung, dass er selbst nie wieder nach Frankreich heimkehren könnte. Lucien Knight verkörperte für Bardou all das, was er an den Engländern hasste. Knights unerträglicher briti- scher Gleichmut hatte sich kaum zerstören lassen, welche Folterqualen sich Bardou auch ausgedacht hatte.
Er konnte sich einfach nicht damit abfinden, dass dieser feine adlige Spion auf der Insel der Sieger ein langes, erfüll- tes Leben vor sich hatte, während sein eigenes Leben, seine Zukunft zerstört waren. Um seinen Feind aufzuspüren, brauchte Bardou Ethan Stafford, der ihn in die Londoner Gesellschaft einführen sollte, damit er möglichst viel über Lucien Knight in Erfahrung brachte und herausfand, wie er ihn am besten zu fassen bekäme. Obwohl er von Bardou fünf Wochen gefangen gehalten worden war, hatte Knight ihm beinahe nichts erzählt. Da die körperlichen Schmerzen ihn nicht mürbe gemacht hatten, hatte Bardou sich überlegt, wie er ihm geistige Qualen zufügen könnte. Leider hatte Knight weder Frau noch Kinder, aber er besaß vier Brüder, von de- nen zwei hier in London weilten.
Bardou zögerte, Lucien Knights Zwillingsbruder anzu- greifen, den formidablen Colonel Lord Damien Knight. Aber der flotte Lord Alec, der jüngste Bruder der Knight-Sippe, wäre ein leichteres Opfer. Noch besser allerdings eigneten sich Frauen. Schade, dass die kleine Schwester Lady Jacin- da in Wien war, sie wäre für seine Zwecke genau richtig ge- wesen. Bardou blieb nichts anderes übrig, als auf die ande- ren Frauen in Luciens Leben zurückzugreifen. Heute Abend wollte er sich der neuesten Geliebten seines Feindes vorstel- len lassen, einer gewissen Lady Glenwood.
Seine dunklen Absichten hinter einem kühlen Lächeln verbergend, öffnete er die Tür. „Guten Abend, Mr.
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