Knight 07 - Im Bann der Sehnsucht
Körperhaltung nach war es nicht schwer zu glau- ben, dass dieser Mann der wilden See ein Vermögen abringen konnte.
Jede Faser seiner hochgewachsenen Gestalt strahlte Kraft, Bedrohlichkeit und Vitalität aus. Er trug den Kopf hoch erho- ben, als sei er daran gewöhnt, Befehle zu geben. Sein kantiges Gesicht wurde umrahmt von dunklen Koteletten, und sein zer- zaustes Haar hatte dieselbe Farbe wie das Mahagoniholz, das auf seinem Schiff transportiert wurde.
„Sieh nur!“, rief plötzlich der junge blonde Offizier. „Da sitzt ...“ Er blinzelte ungläubig. „Da sitzt eine Frau im Baum!“
Oje. Man hatte sie entdeckt. Jetzt war es zu spät, die Nerven zu verlieren.
Die Männer der Besatzung stießen erstaunte Rufe aus, als sie in Edens Richtung blickten, in die der junge Mann zeigte. Ihr Anblick, wie sie dort auf dem Ast saß, der den Fluss überragte, musste so unwahrscheinlich sein, dass die Männer es offensicht- lich ziemlich komisch fanden.
Sie biss die Zähne zusammen und errötete ein wenig, weiger- te sich aber, verlegen zu werden. Mit einer Hand stützte sie sich hinten auf den Ast, lehnte sich ein wenig zurück und versuchte, möglichst gelassen zu wirken.
Einer der Seeleute schlug sich auf den Schenkel. „Wenn die hier auf Bäumen wachsen, Captain, dann können Sie mich an Land setzen.“
Sie zwang sich zu einem Lächeln, als einige der Männer in Ge- lächter ausbrachen, doch Lord Jack ging zum Bug, während das Boot näher glitt, bis er nur ein paar Meter von Edens Sitzplatz entfernt stand.
Der leichte Regen rann über seine breite Stirn bis hinab zu den dicken, dunklen Brauen. Er hatte tiefliegende Augen und eine kräftige, aber elegante Adlernase. Um sein Kinn lagen die dunklen Schatten von Bartstoppeln und betonten noch den Aus- druck von Gefährlichkeit, der ihn umgab. Seine Lippen, dachte sie, scheinen etwas rissig zu sein. Sie verlocken zum Küssen.
Der unerwartete Gedanke erschreckte sie.
„Was für ein Vogel ist das, würdet ihr sagen?“, rief einer der Männer und brachte damit seine Kameraden noch mehr zum Lachen.
Eden runzelte die Stirn, errötete sofort und fand, ihr Herr hät- te die Kerle wenigstens zum Schweigen bringen können. Viel- leicht war er doch ein Pirat.
Sie für ihren Teil begann allmählich, sich ein wenig lächerlich zu fühlen, wohl wissend, dass auf Bäumen herumzuklettern in La Belle Assemblée jungen Damen nicht gerade als gutes Be- nehmen empfohlen wurde.
Doch hier saß sie nun und wurde angestarrt von einem at- traktiven, absolut faszinierenden Mann, dessen Flotte vielleicht ihre einzige Möglichkeit bot, hier herauszukommen – ein Mann, dessen direkter und selbstbewusster Blick ihr Herz schneller schlagen ließ – obwohl das zu einem kleinen Teil vielleicht auch Folge ihrer Furcht war.
Als sie seinen Blick jedoch erwiderte – unfähig, woanders hin- zusehen –, bemerkte sie, wie faszinierend seine Augen waren. Sie leuchteten im gleichen Türkisblau wie das karibische Meer, was in reizvollem Gegensatz zu seiner gebräunten Haut stand. Als er sie musterte, entdeckte sie darin eine Spur von Belustigung. Es gelang ihm nicht ganz, sein Erstaunen zu verbergen.
„Sehen Sie sie, Mylord?“, fragte der junge Offizier. „Bitte sagen Sie mir, dass mir die Hitze nicht den Verstand geraubt hat.“
„Trahern“, befahl der Mann in ruhigem, befehlsgewohnten Ton und ohne den Blick von ihr zu wenden, „lass das Boot an- halten.“
Nein, die tropische Sonne hatte nicht den Verstand seines Assis- tenten verwirrt, dann hätte Jack unter demselben Phänomen ge- litten. Auch er sah den hübschen jungen Rotschopf im Baum. Sie saß rittlings auf einem Ast und ließ ein wenig verlegen die Beine genau über der Stelle baumeln, an der sein Lotse das Schiff jetzt zum Stehen brachte.
Überhaupt irgendeine Frau auf einem Ast oberhalb des Ori- noco zu sehen, hundert Meilen von jeder menschlichen Ansied- lung entfernt, war schon an sich ein Schock. Ganz zu schweigen von einer solchen Schönheit mit großen grünen Augen und, so- weit er es beurteilen konnte, makellosen Proportionen.
Ihr langes Haar trug sie offen, es war nass vom Regen, und als er seinen Blick über sie gleiten ließ, strich sie es sich aus dem Gesicht. Die kastanienbraunen Locken ringelten sich um ihre zarten Schultern. Sie trug ein hellgrünes Kleid, und darunter sah er rüschenbesetzte Hosenbeine, die in schweren braunen Stiefeln steckten. Jack konnte nicht anders, er musste sie an- sehen.
Ihr
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