Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Frauen und ein Mann. Der sich mit der einen ein Kind und mit der anderen das Bett teilt. Bei aller Freundschaft hielt ich das für eine bedenkliche Konstellation und mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg.
»So kleinkariert sind wir nicht«, zwitscherte Gudrun unter dem Beifall der beiden anderen. Die zwei Frauen, die nie aus der Schneifel herausgekommen waren, und der Mann aus dem Herzen von Texas musterten mich wie das konservierte Relikt einer versunkenen Werterepublik und versicherten, keiner von ihnen hätte mit dieser Situation auch nur das geringste Problem. Also wurde, wie in solchen Fällen üblich, ein gewichtiges hervorgerufen: Für Regine musste ein Mann her, fand Gudrun, und zwar schnell.
Aus Gründen des Proporzes oder der Prophylaxe? Das frage ich mich, aber natürlich nicht sie. Gudrun würde niemals zugeben, sich ihres Texaners so lange nicht sicher zu sein, wie sich das Wörtchen Heirat seinem Deutsch verweigert. Da es Regine aber ablehnt, Trierer, Prümer oder Bitburger Discos sowie Floh-, Wochen- und Mittelaltermärkte abzugrasen, hat Gudrun eine eigene Frau-sucht-Bauern -Castingshow eröffnet. Seitdem scheucht sie alle willigen Junggesellen im näheren Umkreis in die Einkehr . Was den Umsatz kaum mehr steigert als Regines Lust. Keiner der Kandidaten – ganz gleich, wie groß Hof, Mann oder Begeisterung für das Projekt – hat ihr bislang ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern vermocht. Ihre Widerborstigkeit verschlägt jedem den Appetit, und so bleibt es bei einem hastig heruntergestürzten Bier und einer in ihrer Mission gescheiterten Gudrun.
»Wenn ein Mann Glückssache ist, bleibe ich doch lieber solo«, spricht mir jetzt Regine aus dem Herzen. Ich selbst bin zwar nur eingeschränkt solo, aber mit der Massenware, zu der die Sache Glück inzwischen am Bahnhofsbuchständer verkommen ist, hat meine Beziehung zu Marcel nichts zu tun.
»Keine Männer mehr, Gudrun!«, schnaubt Regine. »Den nächsten jage ich gleich vom Hof!« Drohend hebt sie das Messer, mit dem sie gerade Kalbsleber in Streifen schneidet. Ein blutiger Schnitz fällt ab, als sie zum Fenster blickt und überrascht ruft: »Nanu, wer ist das denn?«
Wir folgen ihrem Blick. Ein fremder grauhaariger Mann redet neben der offenen Motorhaube eindringlich auf David ein.
»Viel zu alt für dich«, antwortet Gudrun automatisch.
»Aber nicht für unseren Mittagstisch.« Regine wirft das Messer auf die Anrichte und rückt näher ans Fenster heran. »Schaut mal, er hat sogar eine ganze Reisegruppe mitgebracht! Ist wohl der Fahrer und will was mit David aushandeln.«
Zu meinem Entsetzen sehe ich David bedauernd die Schultern heben und den Kopf schütteln. Dann beugen sich beide Männer wieder über den Motorraum meines alten Autos. Ich reiße rasch das Fenster auf.
»Warte!«, rufe ich. »Das regele ich!«
David richtet sich auf und sieht mich rätselnd an. Seine seltsame Bemerkung: »Wir haben doch gar kein Diesel!« registriere ich kaum, dafür aber die herrliche Tatsache, dass einem kleinen mintgrünen Oldtimer-Reisebus, der vor der Einkehr haltgemacht hat, ganz langsam vergleichbar bejahrte Passagiere entsteigen. Umständlich, aber stetig.
Hühnersuppe.
Senioren lieben Hühnersuppe am Mittag. Von meiner werden sie begeistert sein, allerdings sollten Gudrun und Regine vor dem Servieren sicherheitshalber die hauchdünn geschnittenen Orangenscheiben herausfischen. Das Auge isst mit. Obstschalen im herzhaften Allheilmittelgericht kann man nur wenigen Menschen in einer gewissen Lebensphase mit dem Begriff Bio schmackhaft machen.
Auf diesen Tag hat die extra angeschaffte Kühltruhe im Nebenraum gewartet. Bis oben hin ist sie mit Würfeln tiefgefrorener Hühnersuppe vollgestopft. Die ich vor ziemlich langer Zeit in einem Anfall von Notwendigkeit und Trauerbewältigung gekocht habe. Die Schar mir persönlich bekannter namenloser Hühner habe ich nicht selbst umgebracht. Ich habe das Gemetzel ausgesourct, wie man neudeutsch sagt, meine Hühner aber nach ihrer Enthauptung voller Ehrfurcht gerupft, abgeflämmt, überbrüht, von Häuten befreit und ihnen auf würdevolle Weise das letzte Geleit gegeben. Mit Ingwer, Zitronengras, Karotten, Lauchringen, Zwiebeln, braunem Zucker, Koriander, Chili, einem Hauch Knoblauch, Sojasoße, Sherry, Kokosmilch, einer Prise Kreuzkümmel, Kurkuma sowie ebenjenen Orangenscheiben und einer großen Liebe, die gar nichts mit Glück, sondern mit dem zu tun hat, was geschehen kann, wenn man es mit ihm
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