Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
verwechselt. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, die ich den Gästen bestimmt nicht erzählen werde, die jetzt auf die Einkehr zustreben. In ihren Gesichtern lese ich freudige Erwartung. Die ist möglicherweise auf den wundervollen neuen Internetauftritt zurückzuführen, den Hein für unser Restaurant gestaltet hat.
Dass heutzutage jedes vernünftige Unternehmen auf einer eigenen Homepage seine Unverwechselbarkeit propagieren sollte, habe ich eingesehen. Ein Bekenntnis zu Facebook, wie es mir Hein auch aufdrängen wollte, lehne ich allerdings kategorisch ab. Nicht mit mir.
»Wer sich in den Achtzigern gegen die Volkszählung aufgelehnt hat, verwirkt jedes Recht auf Glaubwürdigkeit, wenn er sich Facebook ausliefert«, habe ich ihm gesagt und nur Kopfschütteln geerntet.
»Wir sind inzwischen ein Jahrtausend weiter, Katja. Heute geht es um Präsenz. Das ist doch gut fürs Geschäft. Wir erfinden tolle Namen für deine schrägen Gerichte. Deine Followers werden in Scharen herströmen. Um auszuprobieren, ob man wirklich essen kann, was du da aufschreibst. Das glaubt dir doch keiner. Außerdem kannst du selbst bestimmen, was du von dir preisgibst.«
»Und ich muss mir gefallen lassen, was sogenannte Freunde und Followers von mir preisgeben. Nein danke.«
»Mensch, Katja, was hast du denn schon zu verbergen?«
Dieser blöde Satz. Den hat meine Mutter damals auch geäußert und mich gedrängt, bloß nicht dadurch aufzufallen, dass ich mich der Befragung durch den Staat verweigere. »Ich habe nichts zu verbergen«, hatte sie erklärt. Was übrigens eine eklatante Lüge war, wie ich bei meiner Ankunft in ihrer heimatlichen Eifel drastisch erfahren durfte. Es wäre sehr hilfreich gewesen, wenn sie früher weniger verborgen gehalten hätte. Nicht vor der Welt, sondern vor mir, ihrer Tochter. Selbst wenn es damals schon Facebook gegeben hätte und sie dort Mitglied gewesen wäre, hätte ich mit Bestimmtheit keinen Deut mehr über ihr Vorleben erfahren, nur alles über ihre Vorlieben, die ich ohnehin kannte. Bis auf die nicht ganz Unwesentliche für den verheirateten Mann in der Eifel, den ich nie kennengelernt habe, aber dessen Tochter ich bin und dessen Haus mir heute gehört. Dessen Existenz schon erloschen war, als ich von ihr erfahren hatte. Was ich nicht wusste, als ich in Vor-Facebook-Zeiten meinen Erzeuger in der Eifel aufsuchen wollte und über die Leiche eines Mannes gestolpert bin, der mein Halbbruder gewesen sein soll. Fürchterliche Erinnerungen prägen meine Ankunft in der Eifel. Wie hätte ich damals ahnen können, dass die Pflanze meiner Zukunft auf dem Dung der alten Zeit so wohl gedeihen würde! Auch wenn ich später unter Tränen Hühnersuppe brauen sollte. Die heute ihren Auftritt haben wird.
Ich trete vor die Tür und brauche kein künstliches Lächeln aufzusetzen. Ich bin in Hochstimmung. Ein Reisebus! Wenn sich erst mal rumgesprochen hat, wie phantasievoll wir hier fast im Verborgenen kochen, werde ich mich mit Parkplatzproblemen konfrontiert sehen! Wie viel würde es wohl kosten, den Vorhof meines Privathauses auf der belgischen Seite zu einem Parkgelände umzubauen?
»Guten Tag«, begrüße ich eine stämmige weißhaarige Dame, die erheblich flotter als die hinter ihr Gehenden bereits bei den Stufen angekommen ist und sehr ausgehungert aussieht.
»Ist das ein Gasthaus?«, fragt sie knapp und öffnet den obersten Knopf ihrer grünen Lodenjacke.
»Sie sind herzlich willkommen.« Ich breite die Arme zu einer einladenden Geste aus.
Ein Strahlen fliegt über ihr faltiges Puppengesicht.
»Gott sei Dank! Dann habt Ihr wenigstens eine Toilette.«
Bevor ich diese Bemerkung verdaut habe, ist sie schon an mir vorbei ins Haus gestürmt. Drei weitere Frauen sind ihr auf den Fersen, dahinter ein Mann mit gequältem Gesicht.
»Der Bus hat eine Panne«, sagt David.
»Panne?«
Meine Stimme klingt mir sehr schrill in den Ohren.
»Ja, entschuldigen Sie bitte«, meldet sich der Grauhaarige neben ihm und deutet auf die Schar der Strömenden. »Ich bin der Busfahrer, und meinem Setra ist leider der Diesel ausgegangen. Wir sitzen fest.«
»Hier?«
»Ja.«
Er nickt zum Bus hinüber, aus dem gerade sehr umständlich ein Rollator herausgehievt wird. »Genau vor Ihrer Tür, und jetzt wollte ich fragen …«
»Nur ein Damenklo!«, gellt eine klagende Stimme aus dem Haus. »Ich halte das nicht mehr aus!«
»Dann geh eben auf Männer«, dröhnt ein Bass, »da ist auch eine Kabine.«
»Und noch
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