Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
genannt, nicht für eigene Wohnungen. Warum sollte man sich den Kopf über ein anderes Dach machen, wenn man ein geräumiges leer stehendes Haus zur Verfügung habe – zugegeben, ein Haus mit einer sehr bösen Geschichte. Aber Gudrun ist darin aufgewachsen, und ihr Lebensgefährte David hat es geerbt. Regine, die Mutter seines Sohnes, der gerade in den USA das Studium der Tiermedizin aufgenommen hat – oder aufgeholt, wie sie als Eifelerin sagt –, kann darin auch noch ihren neuen Freund unterbringen; falls sich dieser je dazu aufraffen könnte, die Wohngemeinschaft mit seiner resoluten älteren Schwester Frieda in Buchet aufzugeben. Die im Übrigen darin auch noch Platz finden könnte, aber dann bestimmt das Kommando übernehmen würde. Schwer vorstellbar, dass sich Gudrun sagen lassen würde, wann die Fenster geputzt werden sollten.
Das Haus sei groß genug, um sich darin aus dem Weg gehen zu können, hatte David gesagt, als sie noch zu dritt waren. Und Regine hatte darauf hingewiesen, dass sie nur so ihr Geld zusammenhalten könnten. Unvorsichtigkeit bei privaten Ausgaben kann zu Mord und Totschlag führen. Das haben wir alle vor zwei Jahren hautnah miterlebt, vor allem Hein und Jupp. Die beiden sind erst heute Mittag von ihrem langen Mykonosaufenthalt zurückgekehrt und werden über den allgemeinen Stimmungsumschwung bestimmt genauso erschrocken sein.
Womöglich haben sie den sogar schon mitbekommen, als sie heute Mittag vor der Einkehr Heins Rote Zora abgeholt haben. Der Sportwagen, den sie mir während ihres Urlaubs wegen der Unzuverlässigkeit meines eigenen Uraltgefährts zur Verfügung gestellt haben, eignet sich allerdings nicht zum Transport von Weinkartons aus Cochem. Deshalb war ich zwar durchaus dankbar, als mir Karl-Heinz Jenniges gestern das Ungetüm zum mehrtägigen Probefahren vor die Tür gestellt hat, aber ich sagte ihm gleich, dass ich dieses Angeberauto nie im Leben kaufen würde. Karl-Heinz blieb unbeeindruckt. Vierradantrieb brauche man in diesem Teil der Eifel nicht zum Angeben, beteuerte er, sondern zum Durchkommen. Ich würde schon sehen. Für die nächsten Tage seien schließlich heftige Schneefälle angekündigt. Er könne es nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren, meinem dem Tod geweihten alten Auto mit ständig neuen Ersatzteilen künstlich das Leben zu verlängern.
Zugegeben, in diesem Wagen ist die Fahrt nach Cochem so komfortabel gewesen, dass ich meinen Plan, dort zu übernachten, spontan über den Haufen geworfen habe. Auch weil Marcel nicht mitgekommen und Herbert in seinem Hotel mit einer Hochzeitsfeier zu beschäftigt gewesen ist, um Zeit für ein Schwätzchen zu haben. Ich lenkte also gleich nach meiner Einkaufstour das Monster wieder heimwärts.
Und biege jetzt links von der B 265 auf belgisches Hoheitsgebiet ein. Vor meinem alten Bruchsteinhaus stelle ich den Motor ab; imer noch unschlüssig, ob ich nicht doch die Bundesstraße überqueren und in Deutschland nach dem Rechten sehen sollte.
Dann fällt mir wieder ein, was mir Marcel gestern gesagt hat, als ich Zweifel äußerte, ob ich mir angesichts des unerfreulichen Betriebsklimas heute wirklich freinehmen sollte: »Du musst mal lernen, nicht immer alles kontrollieren zu wollen.«
Er hat recht. Den Wein aus Cochem kann ich auch morgen im Restaurant abladen; er braucht nach der langen Fahrt vermutlich genauso viel Ruhe wie Linus Auslauf. Der schwarze Riesenhund beginnt schon ungeduldig zu bellen. Während der ganzen Fahrt hat der Labrador mit den zusätzlichen Staffordshireterrier-Genen höchstens fröhlich gefiept, weil er neben mir sitzen durfte, womit ich fünfzig Euro Bußgeld und drei Punkte in der Verkehrssünderkartei Flensburg riskiert habe, dafür aber im Kofferraum mehr Weinkartons unterbringen und Linus beglücken konnte.
Während ich für den Privatgebrauch eine Flasche aus einem Karton ziehe, hebt der Hund kurz das Bein an meiner neu eingepflanzten Birke. Dann rennt er mir voraus, stößt mit der Schnauze die Tür auf und verschwindet im Haus. Ich schicke einen wütenden Blick über die Straße. Wer hat da wieder einmal nicht abgeschlossen? Und schlimmer noch, die Tür nicht einmal richtig zugezogen! Das ist ja wohl das Mindeste, was ich verlangen kann, wenn jemand in meiner Abwesenheit mein Haus betritt! Oder sollte der Ofenbauer doch gekommen sein und am Kamin arbeiten? Aber wo hat er sein Auto gelassen? Außerdem müsste dann im Haus Licht brennen.
Laut bellend stürmt Linus wieder hinaus. Er
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