Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Kerschenbach?«, fragt er, als ob wir noch einen anderen Hermann kennen würden.
»Ja, natürlich.«
»Der ist mit seinen Kaffeefahrern unterwegs. Wir haben sein Baby eben gesehen, als wir aus Krewinkel hochkamen. Er schoss mit ziemlichem Tempo direkt an uns vorbei. Richtung Losheim.«
Marcel hält mir meinen grünen Pullover hin. »Zieh doch bitte den an. Ich finde, du siehst in ihm besonders schön aus. Was hast du sonst noch in Buchet gehört?«
»Dass die heilige Barbara Schutzpatronin der Bergleute ist.«
Sehr seltsam, dass Hermann gestern eine Kaffeefahrer-Fuhre für heute zusammengestellt haben soll. So groß kann die finanzielle Not doch nicht sein, dass er nach dieser Katastrophe und in seinem Zustand einfach so weitermachen würde wie bisher. Komisch auch, dass Frieda von diesem Ausflug offensichtlich nichts gewusst hat.
Marcel scheint es nicht merkwürdig zu finden, dass Hermann schon wieder mit seinem Setra unterwegs ist. Das Leben geht eben weiter, sage ich mir, und der Eifeler ist ein Meister im Herstellen von Normalität, vor allem, wenn seine Welt gerade unterzugehen droht. Dann fährt er mit Senioren nach Belgien und kauft Kaffee.
Ich ignoriere den Pullover von gestern und ziehe eine frische Bluse aus dem Schrank.
»Die steht dir auch gut«, sagt Marcel freundlich. »Und weiter? Was ist in Buchet sonst noch so los?«
»An der Geschichte von Hermann und Frieda stimmt etwas nicht«, platze ich heraus.
»Ich weiß.«
»Was weißt du?«
»Wir prüfen da gerade einiges nach. Ihre enge Beziehung zu deinem Freund Konrad Meissner ist ziemlich verdächtig. Der Mann ist früher schon einmal straffällig geworden.«
Ah, natürlich hat Marcel beim EPICC nachgefragt, dem Euregionalen Polizei-Informations-Cooperations-Centrum in Heerlen, jener länderübergreifenden Einrichtung, wo seit einigen Jahren Polizisten und Zöllner aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden ihre Informationen untereinander austauschen. Ganz unbürokratisch, wie Marcel immer behauptet, und, wie ich argwöhne, gegebenenfalls auch ganz unvereinbar mit der Gesetzeslage der jeweiligen Länder. Aber was der Wahrheitsfindung dient, wird eben geduldet.
»Lass mich raten: Der Mann war früher Schmuggler«, sage ich.
Marcel schüttelt den Kopf.
»Was dann?«
»Wie gesagt, wir prüfen da einiges nach.«
»Er hat seine Frau umgebracht«, presche ich vor.
Marcel lächelt. »So ’ne große Nummer ist er nun auch wieder nicht. Ein ziemlich kleiner Fisch. Aber für unseren Fall vielleicht interessant.«
»Dann hast du ja endlich seine DNA.« Ich versuche, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
»Leider nicht«, seufzt Marcel. »Das war alles vor ganz langer Zeit. Was zum Teufel machst du da?«
Es ist gar nicht so leicht, ein zusammengeknülltes steif getrocknetes Papiertaschentuch mit einer Fleischgabel aus der Hosentasche einer Jeans herauszupfriemeln. Aber heute ist mir zuwider, das Papier mit den Fingern zu berühren, das ich gestern Nacht gänzlich bedenkenlos Konrad Meissner aus der Jackentasche gezogen habe. Als ich mich von ihm zum Abschied fest umarmen ließ. Der Mann hat sich darüber genauso gefreut wie ich mich über den gelungenen Coup.
Triumphierend halte ich das Beutestück an der Fleischgabel hoch.
»Tausche DNA gegen Infos.«
Ich trete ein paar Schritte zurück, als Marcel es ergreifen will.
»Das hier ist Unterschlagung von Beweismaterial«, warnt er mich.
»Das hier ist Deutschland«, enthülle ich ihm. »Da darfst du überhaupt nicht ermitteln. Schon gar nicht in belgischer Uniform.«
»Wenn Gefahr im Verzug ist …«
Ich winke mit dem Taschentuch am Fleischgabelende wie mit einer weißen Fahne. »Was hat sich Meissner zuschulden kommen lassen?«
»Er hat gefälschte Geldscheine in Umlauf gebracht«, knurrt Marcel und zieht eine kleine Plastiktüte aus seiner Uniformjacke.
»Wann?«
»Vor dreißig Jahren.«
»Das ist alles?«
»Wir finden bestimmt noch mehr raus. Ich traue dem Mann nicht.«
»Und was für ein geheimnisvolles Alibi hat Hermann?«
»Rahm dir doch dein Rotztuch ein«, sagt Marcel ungehalten und verlässt das Zimmer.
Gudrun ist zurück. Sie streicht sich über den Bauch und schluchzt hemmungslos.
»Wenn ich mir vorstelle, dass mein Kind mich da so liegen sieht, auf so einem kalten Tisch! Und wie dann das Laken vom Kopf gezogen wird und sie ganz grau ist und so tot und all das Blut in den Haaren …«
»Da war kein Blut«, sagt Daniel. »Mama war nicht grau. Sie sah
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