Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
sagte ich.
»Ja, furchtbar. Mein kleiner Bruder und ich waren auf einen Schlag Vollwaisen. Die Behörden wollten uns trennen und Hermann in ein Heim stecken.«
»Was meine Frau und ich nicht zulassen konnten«, meldete sich Meissner. »Wir haben angeboten, die beiden aufzunehmen. Und so ist es dann auch gekommen.«
»Dafür bin ich dir noch heute dankbar.«
Meissner winkte ab. »Ihr beide habt mir später über den Tod meiner Helga hinweggeholfen.«
»Und wo stammt ihr ursprünglich her?«, wollte ich von Frieda wissen.
»Aus dem Bergischen Land.«
Ich komme aus Berlin. Viele Regionen Deutschlands sind mir beklagenswerterweise unbekannt. Bergisches Land klang für mich nach Süddeutschland, nach Almen, vielleicht nach Bayern.
»Liegt das sehr weit weg von hier?«
»Ja.«
»Aus welcher Stadt?«
»Eine Kleinstadt. Wird Ihnen nichts sagen«, erwiderte Meissner.
»Radevormwald«, murmelte Frieda.
Ich horchte auf. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen wurde ein fern gelegener Ort genannt, von dessen Existenz ich zuvor noch nie gehört hatte. Das konnte natürlich Zufall sein.
»Aber das sagt mir etwas!«, erklärte ich fast fröhlich. »So weit weg kann das gar nicht sein. Ich kenne da jemanden.«
Was nicht ganz stimmte. Ich kenne den Internetmann überhaupt nicht, weiß nur, dass er Robert heißt. Aber durchaus möglich, dass ich eine interessante Verbindung zutage gefördert habe. Keine zur Familie Perings. Aber eine zu Regine. In der von mir jetzt eingeleiteten Sammler- und Jägerphase wird es höchste Zeit, diesen Robert endlich kennenzulernen.
Kapitel 11
Kehrer Allerlei
Streifen von Paprika, Süßkartoffeln, Auberginen, Zucchini, Kohlrabi, Sellerieknollen, Zwiebeln, Mango, Äpfeln und Rote Bete, mit Knoblauch, Thymian, Rosmarin und Oregano gewürzt und mit Olivenöl besprüht, im Ofen geröstet
Ich liege mit geschlossenen Augen auf einer sommerlichen Wiese. Eine warme Brise streichelt meine Wange; Spitzen von Grashalmen kitzeln mir den Mund. Oder sind es etwa doch stachlige Insekten?
Ich mache die Augen auf.
Marcel zieht den Kopf ein wenig zurück und zupft an seinem offensichtlich frisch und wieder einmal schief gestutzten Schnurrbart.
»Es funktioniert, ma princesse «, sagt er. »Ich habe dich wach geküsst. Guten Mittag, übrigens.«
Er setzt zu einem richtigen Kuss an. Aber ich presse die Lippen fest zusammen. Den schalen Geschmack in meinem Mund möchte ich mit niemandem teilen; schon gar nicht mit dem Mann, den ich unter normalen Umständen herzlich gern küsse.
»Dann eben nicht«, sagt er friedfertig und richtet sich auf.
»Bist du krank? Oder warum liegst du immer noch im Bett?«
»Nicht noch – wieder.« Gähnend rappele ich mich hoch. »Ich war heute Nacht sehr lange unterwegs.«
»Ach ja? Bei dem fiesen Wetter? Wo denn? Und das große Auto steht auch nicht vor der Tür.«
»Hat sich Gudrun ausgeliehen«, beantworte ich die letzte Frage und stelle selbst eine: »Was machst du hier?«
»Ich habe Daniel und David zurückgebracht.«
Er setzt sich neben mich auf den Bettrand, streicht mir die Haare aus dem Gesicht und lässt seine Hände dann weiter nach unten wandern.
»Aus Sankt Vith«, murmele ich und schiebe seine Hände weg. »Ihr wart beim Bestatter?«
»Genau«, sagt er und steht mit einem Seufzer auf. »Oh je, meine Katja, es war so … furchtbar traurig. Der arme Junge. Die anderen sitzen nebenan und probieren, ihn zu trösten. Aber wer kriegt das schon hin? Wo warst du heute Nacht?«
»Erst Zähne putzen.«
Ich erhebe mich und verschwinde im Bad. Wo mich mein Spiegelbild erschreckt. Ich sehe aus, als hätte ich seit Tagen nicht geschlafen. Und so fühle ich mich auch. Gar nicht dazu aufgelegt, mit Marcel Spielchen zu spielen. Ihn zum Beispiel herumraten zu lassen, wo ich in der Nacht gewesen bin.
»Ich war in Buchet«, sage ich, als ich zurückkehre. »Hast du übrigens eine Ahnung, wo Hermann steckt? Er ist gestern nicht nach Hause gekommen. Seine Schwester ist völlig aufgelöst. Schon komisch, wie sie sich benimmt. Als wäre ihr Bruder nicht ein gesetzter Mann in reichlich fortgeschrittenem Alter, sondern ein gefährdeter Teenager, der sich mit zwielichtigen Figuren in Discos die Nacht um die Ohren schlägt. Ich konnte sie einfach nicht beruhigen.«
Soll er doch denken, Frieda habe mich in Buchet einbestellt. »Mich würde allerdings auch interessieren, wo Hermann gerade steckt«, füge ich an, »weil ich ihn nämlich etwas fragen möchte.«
»Hermann
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