Knochen-Mond
Herren.«
Suko bekam keine Antwort. Sie standen vor ihm wie Statuen. Er konzentrierte sich auf die Augen der Männer, entdeckte darin aber kein Gefühl. Wie Steine kamen sie ihm vor.
Er hob die Schultern. »Ich weiß ja nicht, weshalb Sie die Straße hier sperren, aber zulässig scheint es mir nicht zu sein. Ich möchte nämlich gern weiter und nicht so lange im Tunnel stehenbleiben, bis es Ihnen gefällt, den Wagen fortzufahren.«
Der Alte gab die Antwort. Seine Stimme klang, als säße in seinem Hals Rost fest. »Fahr wieder zurück. Verschwinde von hier. Aber fahre sofort. Wir wollen es.«
»Aber ich nicht.«
»Verschwinde.«
»Moment mal«, sagte Suko. »Ich bin eingeladen worden und denke einfach nicht daran, wegzufahren.«
»Von uns hat dich keiner eingeladen.«
»Das stimmt, es war ein anderer.«
»Wer?«
»Tom Evans.«
»Er zählt nicht«, erklärte der Alte. Seine Stimme blieb monoton. Nichts in ihrem Klang deutete an, ob er sich erregte oder nicht. Suko hatte festgestellt, daß dieser T.E. anscheinend nicht sehr gelitten war.
»Geh endlich!« sagte einer der jüngeren Männer.
»Sie wollen den Wagen also nicht wegfahren?«
»Nein.«
»Dann werde ich Ihr Dorf zu Fuß erreichen. Es ist ja nicht weit.«
Die Männer schauten sich an. Es war klar, daß es ihnen nicht paßte, einen Fremden in der Nähe zu wissen. Die Spannung stieg. Suko merkte das sehr genau. Er hatte ein gutes Gefühl für diese Dinge, und er sah auch, daß sich die Blicke der Männer veränderten. Sie wirkten nicht mehr so neutral, jetzt stieg in den Pupillen der Ausdruck der Wut hoch.
»Da wäre noch etwas«, sagte Suko und räusperte sich. »Ich möchte Ihnen sagen, daß ich einen weiteren Bekannten habe, der aus Ihrem Ort stammt. Ein Junge namens Dennis.«
Dieser Name schlug ein. Zum erstenmal kam Bewegung in die Männer. Wieder stellte der Alte die Frage. »Dennis? Was ist mit ihm? Was willst du von ihm?«
»Er wollte etwas von mir.« Suko schaute sich um. »Ich habe ihn nicht mitgebracht. Er ist in London geblieben, aber er hat mich geschickt. Sicherlich nicht ohne Grund.«
»Wir kennen ihn nicht.«
Suko mußte lachen. »Nicht oder nicht mehr?«
Der Alte trat einen Schritt vor. Scharf schaute er den Inspektor an. Suko hielt dem Blick stand und entdeckte etwas, das ihn maßlos erschreckte. Unter der bleichen, dünnen Haut des Mannes zeichneten sich seine Knochen ab. Sie schimmerten.
Wie bei Dennis, dachte der Inspektor. John Sinclair hatte ihm von der Veränderung des Jungen berichtet.
»Hast du es gesehen?« fragte der Alte.
»Ich habe gute Augen.«
»Willst du jetzt gehen?«
»Nein.«
Da ging der Alte wieder einen Schritt zurück. Er schaute die anderen vier Männer an. Sie sprachen nicht, aber der Mann mit dem Hut schien die Befehlsgewalt über sie auch ohne Worte zu haben. Er deutete ein Nikken an, und die vier Männergingen. Als wäre Suko nicht vorhanden und als wäre auch überhaupt nichts gewesen, drehten sie ihm den Rücken zu und schritten dem Ort entgegen. Der Alte blieb noch wenige Sekunden stehen. Er streckte den Zeigefinger nach oben und hauchte: »Hüte dich, Fremder!«
Nach dieser Warnung ging auch er.
Suko dachte darüber nach, ob er ihn zurückhalten sollte. Das wollte er doch nicht, denn er war nie der erste, der Gewalt anwendete. Nur konnte er sich vorstellen, daß es innerhalb des Ortes nicht so friedlich zugehen würde wie hier.
Trotzdem verspürte Suko keine Furcht. Seine Neugierde war noch stärker geworden. Er mußte nach Llan-nonwelly und versuchen, das Geheimnis dieses Ortes zu lösen.
Den Männern ließ er einen genügend großen Vorsprung. Erst als sie die ersten Häuser erreicht hatten, setzte sich auch Suko in Bewegung und ging über einen breiten Feldweg, auf dem kopfgroße Grasbüschel wuchsen. Der Boden selbst hatte ein Muster aus Reifenspuren bekommen. Es stammte zumeist von den großen Rädern der Trecker.
Einladend sah der Ort nicht aus. Er lag zwar inmitten der grünen Umgebung, aber er selbst wirkte sehr grau. Die alten Fassaden schienen den Besucher abweisen oder warnen zu wollen, nicht nach Llannonwelly hineinzugehen.
Um so etwas hatte sich der Inspektor noch nie gekümmert. Er betrat den Ort, der zwar nicht ausgestorben vor ihm lag, aber trotzdem ein feindliches Bild abgab.
Die Bewohner starrten ihn an.
Suko sah die Gesichter hinter den Scheiben, er sah die Leute auch in den schmalen Hauseingängen stehen oder über Hecken schauen. Bleiche Gesichter, bei denen
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