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Knochen-Mond

Knochen-Mond

Titel: Knochen-Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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denn er betrat das Haus.
    Die Erklärungen hatten Suko natürlich neugierig gemacht, aber auch seine innere Unruhe gesteigert. Er konnte sich nicht vorstellen, daß der Mann gelogen hatte. Hier spielte sich Furchtbares ab, denn hier wurden die Menschen manipuliert.
    Alpträume erleben — wie ging das?
    Suko wußte es nicht. Es hing mit dem zweiten Ich zusammen, mit der Seele, die dann stärker wurde als der äußerlich sichtbare Körper. Hinter dem Mann betrat er das muffig riechende Haus. Zwar waren die Wände aus Steinen errichtet worden, aber die Decke wurde noch von alten Holzbalken gestützt, von denen einige einen Pelz aus feuchtem Schimmel zeigten, andere wieder renoviert worden waren. Von ihnen war die Oberfläche abgeschabt worden, und das blanke Holz kam zum Vorschein. Es sah so aus, als wäre der Bewohner des Hauses mitten in seiner Arbeit gestört worden.
    Sie hielten sich in einem relativ großen Raum auf, in dem Tom Evans wohnte und den er sich zugleich als Werkstatt eingerichtet hatte. Es war nichts aufgeräumt, dennoch wirkte der Raum nicht verdreckt. Suko empfand ihn sogar als gemütlich. Von hier aus führte auch eine Treppe ohne Geländer nach oben. Sie bestand praktisch nur aus breiten Holzstufen, die von zwei Pfosten abgestützt wurden.
    »Er scheint nicht hier zu sein«, sagte Suko.
    Der Alte lächelte nur. »Doch«, flüsterte er, »Tom Evans ist hier, das weiß ich.«
    »Und wo, bitte?«
    Er deutete die Stufen hoch. »Dort oben schläft er. Da hat er seinen Ruheraum und sein Sterbezimmer.«
    Suko hatte sehr gut aufgepaßt. »Soll es heißen, daß er bereits tot ist?«
    »Die Alpträume töten. Dann will das zweite Ich nicht mehr, daß das erste am Leben bleibt.«
    »Dann lassen Sie uns hochgehen.«
    »Sicher.«
    Suko schaute sich noch um. Durch die nicht sehr sauberen Scheiben floß das trübe Tageslicht und ließ auch die Einrichtungsgegenstände grau in grau aussehen.
    Die Holzstufen bewegten sich, als sie durch das Gewicht des Mannes belastet wurden. Suko blieb hinter ihm, zwei Stufen Zwischenraum ließ er. Der Alte ging nicht bis ganz oben. Er blieb plötzlich stehen und drehte den Kopf. »Was ist denn?«
    Suko sah das Rollen der Augen, dann erreichte ihn die flüsternde Stimme. »Hörst du es? Hörst du ihn?«
    »Evans?«
    »Ja.«
    »Nein, noch nicht. Was ist denn mit ihm?«
    »Er leidet unter seinen Qualen. Er leidet sogar furchtbar, denn es hat sich vieles bei ihm verstärkt. Er hat nun das Pech, ein Fremder zu sein. Du wirst ihn sehen.«
    »Dann geh vor.«
    Suko hörte es auch, als er die letzte Stufe erreicht hatte. Es waren Laute, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken trieben. Da keuchte und ächzte ein Mensch, der unter furchtbaren Qualen leiden mußte. Er schien gefoltert zu werden, er jammerte, er bat flüsternd um Gnade, doch es war niemand da, der ihn erhörte.
    An die Treppe schloß sich eine sehr enge Galerie an, die genau dort aufhörte, wo ein dunkelbrauner Vorhang den Blick auf den dahinterliegenden Raum verwehrte.
    Der Alte hatte den Vorhang nicht zur Seite gezogen, das überließ er Suko. Er stand nur da und wartete ab. Der Blick unter der Hutkrempe hervor war düster.
    »Geh vor!«
    »Und Sie?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Ich bleibe hier. Ich will dir den Anblick gönnen.«
    Suko zog seine Waffe, was den Mann nicht beeindruckte. Mit tonloser Stimme erklärte er: »Die brauchst du nicht. Sie wird dir gegen die Alpträume nicht helfen.«
    »Ich weiß ja nicht, was mich dort erwartet.«
    Der Alte mußte lachen. »Ein Mensch, der seine Träume richtig erlebt. So etwas hast du bestimmt noch nicht gesehen. Sei auf vieles gefaßt.« Er machte sich schmal, damit Suko an ihm vorbeigehen konnte. Der Inspektor faßte den vorstehenden Rand des Vorhangs und zog ihn mit einer heftigen Bewegung zur Seite.
    Dicht unter der Decke klirrten dabei die Ringe über die Schiene, dann war sein Blick frei.
    Der Mann lag auf dem Bett. Suko hatte ihn noch nie gesehen, aber was er hier zu sehen bekam, erwischte ihn wie ein Schock. Tom Evans blutete aus unzähligen kleinen Wunden, die sich auf seinem Körper verteilt hatten…
    ***
    Es war ein Bild des Jammers, des Grauens und der Angst. Das Blut strömte hervor wie aus winzigen Quellen und hatte längst die Kleidung durchnäßt. Es machte vor dem Kopf ebensowenig Halt wie vor den Füßen oder den Händen. Es war einfach da und schien immer mehr Nachschub zu bekommen, obwohl der Mann eigentlich schon ausgeblutet sein mußte.
    Suko

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