Knochen-Poker
glaube, bei Ihnen stimmt etwas nicht. Wie käme ich denn dazu, auf den Friedhof zu gehen und alte Gebeine auszugraben.«
»Sie nicht.«
»Sondern?« Er ließ sich wieder nach vorn fallen und saß normal vor uns.
»Zwei Männer, die in Ihrem Auftrag gearbeitet haben.«
»Das müssen Sie beweisen.«
Suko sagte: »Die Männer heißen Tony Lecci und Walter Slade. Sagen Sie nur, dass Ihnen die Namen nicht bekannt sind. Dann enttäuschen Sie uns aber, Mr. Osborne.«
»Nie gehört!«
»Die Männer würden beschwören, Sie zu kennen«, übernahm ich wieder das Wort. »Sie sollten sich Ihre nächsten Aussagen genau überlegen.«
Leo Osborne stützte sein Kinn auf eine Handfläche. »Ja«, murmelte er, »das glaube ich mittlerweile auch. Was wollen Sie wissen?«
»Alles«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich habe einen Kunden, der Gebeine sammelt.«
»Und wo?«
»In New York. Da schicke ich ihm das Zeug hin. Meine Güte! Wer kümmert sich schon um diese alten Knochen, die seit Jahren in der Erde herumliegen.«
»Das Schänden von Gräbern ist nicht nur strafbar, auch pietätlos«, hielt ich ihm vor. »Davon mal ganz abgesehen, Mr. Osborne. Sie haben New York gesagt, aber wir wissen noch immer nicht den Namen Ihres Kunden.«
»Den brauche ich Ihnen nicht zu sagen.«
»Mr. Osborne«, sagte ich leise. »Sie sind weder Anwalt noch Pfarrer und auch an keine Schweigepflichten gebunden. Wenn Sie nichts sagen, könnten wir Ihnen Schwierigkeiten machen, das begreifen Sie doch - oder nicht?«
»Klar.«
»Dann reden Sie!«
»Mir gefällt es nicht, dass ich hier wie ein Gefangener behandelt werde. Ich bin Geschäftsmann, Unternehmer. Ich sorge dafür, dass Leute Arbeitsplätze bekommen. Ich habe meinen Job von der Pike auf gelernt. Jetzt kommen Sie an und wollen mir Ärger wegen ein paar blöder Knochen machen, die ich nach New York geschickt habe.«
»Sie haben die Knochen aus den Gräbern holen lassen! Ich wiederhole es noch einmal. Das ist Grabschändung.«
»Ich habe nichts holen lassen!« Osborne drosch die Faust auf den Tisch. Dann beugte er sich vor. »Verstehen Sie, meine Herren, ich habe nichts holen lassen. Ich habe nur verschickt.«
»Dann berichten Sie uns darüber«, verlangte ich und ging auf die Brücke ein, die wir uns gegenseitig gebaut hatten. Mittlerweile glaubte ich daran, dass die Grabschändung lächerlich im Vergleich zu dem war, was noch auf uns zukommen konnte.
Als sparsamer Mensch griff Osborne zu seiner angerauchten Zigarre und entzündete sie erneut. Das gab ihm Zeit, nachzudenken. Rauchwolken türmten sich vor seinem Gesicht, so dass wir es nur mehr verwaschen wahrnahmen. Er pustete sie weg und begann zu sprechen. »Also gut, der Kunde in New York ist ein Sammler. Er sammelt nicht nur Menschenknochen, auch die von Tieren. Da gibt es in seiner Bude vom Mäuse-Skelett über den Bärenschädel bis hin zum Krokodil alles, was sich der Mensch nur vorstellen kann. Das ist ein kurioser Laden, selbst für New Yorker Verhältnisse.«
»Und weshalb haben Sie ihm gerade hier aus London die Gebeine schicken müssen?«
Osborne hob die Schulter. »Der Kunde ist Engländer. Ich habe mich ja auch gewundert. Vielleicht hängt er so sehr an seiner englischen Heimat.«
»Das kann ich mir zwar kaum vorstellen, aber wir hätten jetzt noch gern den Namen erfahren.«
Osborne wollte sich herauswinden. Er paffte schneller. »Muss das denn sein?«
»Ja - bitte!«
»Aber es ist harmlos!« Er lächelte, das misslang. Osborne konnte nicht lachen, nur grinsen.
»Den Namen!« verlangte auch Suko.
»Okay.« Er lehnte sich wieder zurück. »Moore, Tommy Moore heißt der Kunde!«
»Danke!«
»Noch etwas?«
Suko schaute mich an. »Ja«, sagte ich. »Vielleicht hätten Sie die Güte, uns seine Adresse oder Telefonnummer aufzuschreiben.«
Osborne schob sich hoch. »Das ist alles, was Sie von mir gewollt haben?«
»Ja, ich denke. Es kann natürlich sein, dass sich noch einige Dinge ergeben, die für Sie nicht sehr angenehm sind. Über die Grabschändung muss auch noch geredet werden, aber…«
»Hören Sie auf zu sprechen«, sagte der Spediteur. »Sie haben sich fair benommen, dann will ich auch fair Ihnen gegenüber sein.« Sein Gesicht strahlte wie das eines kleinen Kindes, das soeben lautstark belohnt worden war.
»Bitte.«
»Tommy Moore lebt zwar in New York. Momentan befindet er sich nicht mehr in dieser Stadt. Er ist verreist.«
»Und wohin fuhr er?« fragte Suko.
»Nach
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