Knochen-Poker
London!«
»Ach.«
Osborne rauchte und lachte zugleich. »Ja, Mr. Sinclair. Tommy Moore ist nach London gekommen.«
»Wo können wir ihn finden?«
»Das weiß ich nicht!« Die Antwort kam spontan. Sie war ehrlich. Soviel Menschenkenntnis besaß ich, um dies herauszuhören. Etwas ungewöhnlich war es schon, das dachte auch Suko. Er sagte:
»Wenn sich Ihr Geschäftspartner in London befindet, dann wundert es mich, dass er sich nicht mit Ihnen in Verbindung setzt, so dass Sie sich treffen können.«
»Das wundert mich auch.« Osborne hob die Schultern. »Ich kenne ihn auch nur vom Telefon her.«
»Wie spricht er?« fragte ich schnell.
»Amerikanischen Ostküsten-Slang?«
»Nein! Der hat seinen Londoner Dialekt nicht abgelegt. Moore ist noch relativ jung, keine 30.«
»Und dann hat er so einen Laden aufgezogen?«
»Was wollen Sie, Mr. Sinclair? Der Junge ist in eine Marktlücke gestoßen. Die Menschen werden ja immer verrückter. Wer sich Knochen und Gebeine in die Wohnung hängen will, soll es meinetwegen tun. Ich würde es nicht machen.«
»Kann ich mir denken. Haben Sie denn mit Moore etwas vereinbart?«
»Er will mich anrufen.«
»Um eine neue Ladung abzuholen?« fragte Suko.
»Darüber haben wir nicht gesprochen.«
»Ist sein Besuch also rein privat?«
»Mr. Sinclair, Sie fragen mich Dinge, über die ich Ihnen keine Auskunft geben kann. Sorry.«
»Wann ist Moore nach New York gegangen?«
»Das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Er lebt jedenfalls schon einige Jahre dort.«
Ich sah die Rauchwolke, die Osborne produzierte. »Gut, das wäre vorläufig alles. Knochen aus englischen Gräbern werden Sie ja in Zukunft nicht mehr versenden.«
»Ich halte mich an Ihren Rat.«
»So etwas ist immer gut. Sie würden mir allerdings einen Gefallen tun, wenn Sie mich anriefen.«
»Das mache ich.«
Damit war unser Besuch bei Osborne beendet. Wir verließen das Büro in ziemlich gedrückter Stimmung, schauten dabei zu Boden, und auch Suko schüttelte einige Male den Kopf. »Irgendwie habe ich das Gefühl, als würde hier ein Fall an uns vorbeilaufen.«
»Meinst du?«
»Ja, davon bin ich überzeugt. Ich frage mich nur, wem wir trauen sollen? Moore oder Osborne?«
»Eher Osborne.«
»Wieso?«
»Das ist ein harter Arbeiter. Der hat sich hochgekämpft. Sein Geschäft und seinen Ruf wird er nicht aufs Spiel setzen wollen. Ich bin fest davon überzeugt, dass er in Zukunft keine Gräber mehr öffnen lassen wird. Den Zahn haben wir ihm gezogen.«
Als wir vom Hof rollten, fragte Suko noch. »Was können wir denn machen, John?«
»In die Vergangenheit vorstoßen.«
»Tommy Moore?«
»Ja. Möglicherweise finden wir hier in London eine Spur. Versuchen wir es mal bei der Auswandererbehörde.«
Suko verdrehte die Augen. »Das sind Fälle, die mir so gefallen. Hinrennen, herlaufen, und was kommt dabei heraus?«
»Hoffentlich die Lösung…«
***
Sie waren den Tag über gefahren und hatten am frühen Nachmittag fast ihr Ziel erreicht. Tommy Moore hatte den Wagen gelenkt. Seine Befürchtungen waren eingetreten. Killing Star und Blue Boy Jackson hatten sich von ihrer nächtlichen Trinkerei nicht erholt. Den Morgen über waren sie völlig down gewesen, erst gegen Mittag hatten sie ihren Rausch ausgeschlafen und sofort wieder ein großes Maul.
»He, wir haben Durst«, meldete sich Killing Star von der Ladefläche.
»Wie lange müssen wir hier noch durch die Gegend gondeln?«
»Nicht mehr lange.«
»Scheiß-Antwort. Sag es vernünftig.«
»Ich weiß es auch nicht. Tut mir nur einen Gefallen und reißt euch zusammen.«
»Du schämst dich wohl mit uns, wie?«
»Freuen kann man sich über euch nicht.«
»Lass dein Maul nur nicht zu groß werden.« Killing Star kroch vor und schlug dem Fahrer auf die Schulter.
Moore erschrak und verriss das Lenkrad. Bei Gegenverkehr wäre er voll in ein anderes Fahrzeug hineingefahren, weil er auf die rechte Seite gekommen war. Moore bremste, drehte sich um und schaute Killing Star hart an. »Mach das nicht noch einmal. Vergiss dein New Yorker Benehmen. Hier herrschen andere Gesetze.«
Der New Yorker wollte sich das nicht gefallen lassen, aber Blue Boy stellte sich ebenfalls auf Moores Seite. »Lass es sein, Killing Star! Tommy hat recht.«
»Verdammt, ich bin nicht sein Lakai.«
»Du brauchst dich nur normal zu verhalten.«
»Ja, ja, fahr weiter, du Knochenflicker.« Über das letzte Wort lachte er selbst am lautesten.
Sie befanden sich auf dem Lande. Der Himmel zeigte eine
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