Knochen zu Asche
wahrscheinlich,
dass der Schreiber seine Erziehung in einer Sprache erhalten hat, in der der Laut ›k‹ immer als k und nie als c geschrieben wird. Und insgesamt ist der Brief ja auch ziemlich flüssig.«
»Der Schreiber ist also ein Englischsprecher, der nicht schwanger ist und trash can nicht richtig schreiben kann. Wie kam Shuy drauf, dass er gebildet war?«
»Schau dir die Rechtschreibung weiter an. Er kann auch daughter nicht richtig schreiben, siehst du?«
»Ja.Aber er kann precious richtig schreiben. Und diaper. Beides keine einfachen Wörter.Außerdem ist die Zeichensetzung korrekt, nicht wie bei jemandem, der cops nicht richtig schreiben kann.«
»Ich wusste, dass du das sofort verstehst. Im Grunde genommen machst du in deinem Job genau dasselbe. Man sucht nach Mustern, die passen, und solchen, die nicht passen.Wenn also ein Täter korrekt schreiben kann, warum tut er es dann nicht?«
»Um die Polizei auf eine falsche Fährte zu locken. Vielleicht ist er in seiner Umgebung als gebildet bekannt. Sein Versuch, seine Bildung zu verbergen, überdeckt sie nicht wirklich, sondern ist sogar ein deutliches Signal.Aber warum Akron? Warum nicht Cleveland? Oder Cincinnati?«
»Lies den Text noch einmal. Welche Wörter stechen heraus? «
»Devil strip.«
»Wie nennst du das Straßenbegleitgrün? Den Grasstreifen zwischen dem Bürgersteig und der Straße?«
Ich überlegte. »Keine Ahnung.«
»Die meisten Leute haben kein Wort dafür. Aber wenn sie eins haben, dann ist das ein sehr lokales. In einigen Gegenden county strip. In anderen median strip. «
»Devil strip«, vermutete ich.
»Aber nur in Akron. In Toledo oder Columbus nicht mehr. Nur ist sich dessen keiner bewusst.Wer spricht denn schon von devil strips? Und was der Teufel auf diesem Grünstreifen zu suchen
hat, weiß nicht mal ich. Verstehst du, worauf ich hinauswill? «
»Ja.«
»Sprache unterscheidet sich also je nach Bildungsstand und Herkunftsregion. Man kann auch noch Alter, Geschlecht, soziale Gruppe und so ziemlich jedes andere demografische Merkmal mit dazunehmen.«
»Sprache zeigt, zu welcher Gruppe man gehört.«
»Genau. Das Erste, was ich bei deinen Gedichten versucht habe, war also die Erstellung eines linguistischen demografischen Profils. Was sagt uns die Sprache über den Schreiber? Dann benutzte ich mikroanalytische Techniken, um für jede Gedichtreihe ein individuelles Sprachmuster herauszuarbeiten, das wir den Idiolekt nennen. Davon ausgehend, konnte ich nun die Verfasseranalyse erstellen, um die du mich gebeten hast, und die Frage beantworten: Hat ein und dieselbe Person diese beiden Gedichtreihen geschrieben?«
»Hat sie?«
»Lass mich ausreden. Die Untersuchung war besonders interessant, weil die B-Gedichte von einer Französischsprecherin verfasst wurden, die auf Englisch schrieb.Wie jeder Fremdsprachenlehrer weiß, versucht man, eine Fremdsprache zu sprechen, indem man das linguistische System benutzt, das man bereits kennt, die eigene Muttersprache also. Bis du wirklich sehr gut bist, färbt deine Muttersprache immer auf die erlernte ab.«
Ich dachte an mein eigenes Französisch. »Deshalb haben wir Akzente. Und einen komischen Satzbau. Und Wortwahl.«
»Genau. Für deine Untersuchung habe ich alle Gedichte durchgesehen, und immer wenn ich interessante Passagen entdeckte, habe ich sie für einen Split-Screen-Vergleich aufbereitet. Auf die eine Seite schrieb ich die Gedichte, wie sie sind.Auf der anderen Seite veränderte ich die Gedichte so, dass deutlich wurde, was die Französischsprecherin auf Englisch möglicherweise ausdrücken wollte, es aber nicht schaffte, weil sie falsch
aus dem Französischen, ihrer Muttersprache, übersetzte und dabei falsche Kognate benutzte.Wenn der Zusammenhang sich aufgrund meiner Veränderungen verbesserte, nahm ich das als Beweis dafür, dass der Verfasser vielleicht frankofon war. Soll ich es dir an ein paar Beispielen erklären?«
»Mir reicht das Ergebnis.«
»Es ist ziemlich offensichtlich, dass sowohl die B- wie die F-Gedichte von einem Französischsprecher mit geringer forma-1er Ausbildung in Englisch geschrieben wurden.«
Ich spürte ein erregtes Kribbeln.
»Als Nächstes suchte ich die charakteristischen rhetorischen Mittel, die den B- und den F-Gedichten gemeinsam sind, und nach statistisch relevanten Verzerrungen in Grammatik und Vokabular. Alles verstanden?«
»Bis jetzt schon.«
»Hör dir diese Zeilen aus einem B-Gedicht an:
Late in the morning I’m walking in
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