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Knochen zu Asche

Knochen zu Asche

Titel: Knochen zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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ausgeprägt gewesen zu sein. Das sind nichteuropäische Merkmale. Ich werde es genauer wissen, wenn ich die Erde herausgeputzt habe.«
    »Warum sieht der Kopf so« – Lisa wedelte mit der Hand, suchte nach dem englischen Wort – »komisch aus?«
    »In der Pubertät sind die Schädelnähte noch weit offen.« Ich meinte die gewundenen Furchen zwischen den einzelnen Schädelknochen. »Infolge der Hirnzersetzung, unter Druck, können die Knochen sich verbiegen, sich trennen oder überlappen. «
    »Druck wie unter der Erde?«
    »Ja. Allerdings kann Schädelverzerrung auch andere Faktoren als Ursache haben, Sonnenlicht zum Beispiel oder extreme Hitze oder Kälte. Das Phänomen tritt sehr häufig bei Kindern auf.«

    »Da ist so viel Erde. Glauben Sie, dass sie beerdigt wurde?«
    Ich wollte eben antworten, als das Telefon auf dem Schreibtisch bimmelte.
    »Können Sie in dem Karton nachsehen, ob wir irgendetwas übersehen haben?«
    »Sicher.«
    »Wie geht’s, wie steht’s, Doc?« Hippo Gallant.
    Ich ließ die Nettigkeiten aus. »Das Skelett Ihres Kumpels Gaston ist eben aus Rimouski eingetroffen.«
    »Ach ja?«
    »Meine vorläufige Untersuchung lässt schließen, dass es sich um ein pubertierendes Mädchen handelt.«
    »Indianisch?«
    »Möglich, dass es gemischtrassiger Abstammung ist.«
    »Dann ist sie also gar nicht so alt?«
    »Die Knochen sind trocken, ohne Fleischanhaftungen und ohne jeden Geruch, ich bezweifle deshalb, dass der Tod in den letzten zehn Jahren eingetreten ist. Im Augenblick kann ich aber nicht mehr sagen. Da ist jede Menge zu säubern, und das muss per Hand geschehen.«
    »Crétaque. Hat die Kleine Zähne?«
    »Einige. Aber keine Hinweise auf zahnärztliche Behandlung. «
    »Machen Sie auch DNS?«
    »Ich werde Proben entnehmen, aber wenn keine organischen Komponenten mehr vorhanden sind, ist eine Sequenzierung unmöglich. Die Erde steckt tief in Spalten und den Markhöhlen, was darauf hindeutet, dass sie irgendwann einmal begraben wurde. Ehrlich gesagt, ich befürchte beinahe, der Coroner in Rimouski könnte recht haben. Die Überreste könnten auf einem alten Friedhof ausgewaschen oder von einer archäologischen Stätte gestohlen worden sein.«
    »Was ist mit C14 oder sonst irgendwelchen Supertricks?«
    »Bis auf ein paar spezielle Anwendungen ist die C14-Datierung
bei Material, das weniger als Hunderte von Jahren alt ist, nutzlos. Außerdem, wenn ich berichte, dass dieses Mädchen ein halbes Jahrhundert tot ist, werden die maßgeblichen Stellen weder für DNS, Radiokarbon noch irgendeinen anderen Test Geld ausgeben.«
    »Glauben Sie, Sie kriegen was raus?«
    »Ich werde mir Mühe geben.«
    »Wie wär’s, wenn ich mit dem Kerl rede, der die Knochen hatte? Mir seine Geschichte anhöre.«
    »Das wäre gut.«
    Ich legte auf und wandte mich wieder Lisa zu.
    »Warum sieht der so anders aus?« Sie deutete auf den zweiten rechten Mittelhandknochen.
    Lisa hatte recht. Trotz seiner Schmutzkruste schien dieser Fingerknochen nicht recht zu den anderen zu passen.
    Nachdem ich an Erde weggebürstet hatte, was ich konnte, ohne Schaden zu verursachen, legte ich den komischen Knochen unter mein fabelhaftes neues Mikroskop, erhöhte die Vergrößerung und stellte die Schärfe ein, bis das distale Ende den Bildschirm ausfüllte.
    Und hob dann überrascht die Augenbrauen.

8
    Die Oberfläche des Knochens sah aus wie eine Kraterlandschaft.
    »Was ist denn das?«, fragte Lisa.
    »Ich bin mir nicht sicher.« Im Geist ging ich bereits die Möglichkeiten durch. Kontakt mit Säure oder anderen ätzenden Chemikalien? Mikroorganismen? Eine lokale Infektion? Symptome einer Allgemeinkrankheit?
    »War sie krank?«
    »Vielleicht. Vielleicht ist es aber auch postmortal. Da ist noch
zu viel festgebackene Erde dran für eine eindeutige Aussage.« Ich nahm den Knochen wieder aus dem Mikroskop und ging zu dem Skelett.» Wir müssen jeden Knochen säubern und untersuchen. «
    Lisa schaute auf ihre Uhr. Auf höfliche Art.
    »Was bin ich doch für ein Trottel. Ich habe Sie schon viel zu lange aufgehalten.« Es war zwanzig nach fünf. Die meisten Labortechniker gingen schon um halb fünf. »Gehen Sie.«
    »Soll ich zusperren?«
    »Danke, aber ich bleibe noch ein bisschen länger.«
    Aus dem »bisschen« wurden zweieinhalb Stunden. Wahrscheinlich hätte ich die ganze Nacht durchgearbeitet, hätte mein Handy sich nicht gemeldet.
    Ich legte ein Fersenbein weg, zog die Maske herunter, fischte das Handy aus der Tasche und schaute aufs

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