Knochen zu Asche
kam. Ihre Haare waren zu einem lockigen Pferdeschwanz zusammengefasst, und sie trug blaue Autopsiekluft. Die ihr sehr gut stand. Mit ihrem festen Hintern, der schlanken Taille und den beachtlichen Brüsten ist Lisa bei den Polizisten sehr beliebt. Und die beste Autopsietechnikerin im Institut.
»Sagen Sie nur, Sie bringen mir ein Skelett aus Rimouski.«
»Ich bringe Ihnen ein Skelett aus Rimouski.« Lisa benutzte mich oft, um ihr Englisch zu trainieren. Das tat sie auch jetzt. »Ist eben angekommen.«
Ich blätterte in den Unterlagen. Dem Fall waren bereits Leichenhallen- und Institutsnummern zugewiesen worden. Ich prägte mir Letztere ein. LSJML-57748. Die Überreste waren bei agent Luc Tiquet von der Sûreté du Québec in Rimouski konfisziert worden. In das Kästchen für die Kurzcharakteristik hatte Bradette geschrieben: Weibliche Heranwachsende, archäologisch.
»Das werden wir ja mal sehen, du Neunmalkluger.«
Lisa schaute mich fragend an.
»Der Trottel meint, er könnte meine Arbeit machen. Haben Sie unten viel zu tun?«
»Alle Autopsien sind fertig.«
»Wollen Sie mal einen Blick darauf werfen?« Ich wusste, dass Lisa Knochen mochte.
»Sicher.«
Während ich ein Fallformular holte, stellte Lisa den Karton auf den Tisch. Ich ging zu ihr, nahm den Deckel ab, und dann spähten wir beide hinein.
Mit einer Sache hatte Bradette recht. Das war keine Erwachsene.
»Sieht sehr alt aus«, sagte Lisa.
Okay.Vielleicht mit zwei Sachen.
Das Skelett war gelb und braun gesprenkelt und hatte viele Bruchschäden, der Schädel war unförmig, das Gesicht stark beschädigt. Tief in Augenhöhlen und Resten der Nasenöffnung konnte ich spinnennetzartige Fäden erkennen.
Die Knochen fühlten sich federleicht an, als ich sie aus dem Karton holte und anatomisch korrekt auf dem Tisch anordnete. Als ich damit fertig war, lag eine unvollendete, kleine Person vor mir.
Ich inventarisierte die Knochen. Sechs Rippen, fast alle Finger- und Zehenknochen, ein Schlüsselbein, ein Schienbein, eine
Elle und beide Kniescheiben fehlten. Ebenso alle acht Schneidezähne.
»Warum keine Vorderzähne?«, fragte Lisa.
»Jeder hat nur eine Wurzel. Wenn das Zahnfleisch verschwunden ist, hält sie nichts mehr.«
»Ziemlich stark beschädigt das alles.«
»Ja.«
»Peri- oder postmortal?« Lisa wollte wissen, ob die Schädigungen zum Zeitpunkt des Todes oder danach verursacht worden waren.
»Ich vermute, der Großteil ist postmortal. Aber ich muss mir die Bruchstellen unter Vergrößerung anschauen.«
»Ziemlich jung, hm?«
Ein Bild blitzte auf. Ein Mädchen in einem Badeanzug auf einem Strand in South Carolina. In der Hand ein kleines weißes Buch mit grüner Beschriftung. Aus dem es mit einem komischen französischen Akzent laut Gedichte vorliest.
Ich deutete auf einen proximalen rechten Oberarmknochen, eine distale rechte Elle, ein proximales linkes Wadenbein und einen distalen rechten Oberschenkelknochen. »Sehen Sie, wie einige der Röhrenknochen an den Enden normal aussehen, diese dagegen gefurcht und irgendwie unfertig?«
Lisa nickte.
»Das heißt, die Gelenkstücke waren noch nicht ganz mit den Schäften verbunden. Das Mädchen befand sich noch im Wachstum. «
Ich nahm den Schädel zur Hand und drehte ihn mit der Unterseite nach oben.
Zwischen Dünen laufen. Schwarze Locken, die wild im Wind tanzen.
»Die Basilarnaht ist noch nicht verschmolzen. Es sind noch keine Weisheitszähne vorhanden und die zweiten Backenzähne nur minimal abgenutzt.«
Ich griff zu einem Hüftknochen.
»Jede Beckenhälfte entsteht aus drei separaten Knochen: Darmbein, Sitzbein und Schambein. Zur völligen Vereinigung kommt es erst in der Pubertät.« Ich deutete auf ein schwaches Y, das die Hüftgelenkspfanne dreiteilte. »Sehen Sie diese Linie? Die Verschmelzung war noch im Gange, als das Mädchen starb. Anhand der Zähne, der Röhrenknochen und des Beckens würde ich schätzen, dass es ungefähr dreizehn oder vierzehn war.«
Évangéline Landry, wie sie, die Augen geschlossen, die Hände gefaltet, Kerzen ausbläst. Vierzehn Stück auf dem Kuchen.
»Und das Becken spricht für weiblich.«
»Ja.«
»War sie weiß?«
»Rasse dürfte schwierig werden, weil das Gesicht zertrümmert und der Gaumen Geschichte ist, inklusive der Schneidezähne. «
Ich nahm den Schädel wieder zur Hand. Und spürte Erleichterung aufflackern.
»Die Nasenöffnung ist breit und gerundet. Die Unterkante ist zerbrochen, aber der Nasendorn scheint nicht sehr
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