Knochen zu Asche
außerdem schnell gelangweilt. Von Arnoldos Geige wollte ich nichts hören.
»Warum verkaufst du das Haus?«
»Es ist zu groß.«
»Es war nicht zu groß, als du es gekauft hast.«
Ehemann Nummer irgendwas hatte in Öl gemacht. Ich habe nie so recht herausgefunden, was das bedeutete, aber ihre kurze Ehe ließ meine Schwester bestens geschmiert zurück, wenn man so will.
»Ich brauche dringend einen Tapetenwechsel. Komm und hilf mir beim Häuseranschauen.«
»Ich kann wirklich nicht.«
»Hast du gerade einen interessanten Fall?«
Ich überlegte, ob ich ihr von dem Rimouski-Skelett erzählen sollte, entschied mich aber dann dagegen. Hat Harry erst einmal Feuer gefangen, kann sie nicht mehr gelöscht werden. Außerdem gab es keinen Beweis für eine Verbindung zu Évangéline Landry.
»Das ist meine Hochsaison.«
»Brauchst du schwesterlichen Beistand?«
Bitte nicht. »Du weißt, dass ich deine Besuche liebe, aber im Augenblick stecke ich so tief drin, dass ich keine Zeit für dich habe.«
Schweigen in der Leitung. Dann:
»Was ich über Arnoldo gesagt habe, stimmt eigentlich gar nicht. Tatsache ist, ich habe den Mistkerl beim Herumvögeln erwischt.«
»Tut mir leid, Harry.« Das tat es wirklich. Überrascht war ich allerdings nicht.
»Ja. Mir auch.«
Nachdem ich mir Jeans und ein Poloshirt angezogen hatte, fütterte ich Birdie und füllte Charlies Futter- und Wasserschüsseln. Der Vogel pfiff und forderte mich auf, zu zeigen, was ich habe. Ich trug seinen Käfig ins Arbeitszimmer und legte eine Papa-gei-Trainings-CD ein.
Im Institut war nichts in meinem Postfach. Kein blinkendes rotes Licht am Telefon. Auf meinem Schreibtisch war eine Minilawine abgegangen. In dem Durcheinander lag allerdings kein rosa Zettel mit einer Nachricht.
Ich rief unten in der Leichenhalle an. Aus Rimouski waren noch keine Knochen angekommen.
Okay, Freundchen. Bis Mittag gebe ich dir noch.
Bei der Morgenbesprechung erhielt ich einen neuen Fall zugewiesen.
Der Käufer eines Bestattungsinstituts hatte in einem Kühlfach im Keller eine einbalsamierte und voll bekleidete Leiche gefunden. Die Vorbesitzer hatten neun Monate zuvor ihre Tore geschlossen. Der Pathologe, Jean Pelletier, wollte meine Meinung zu den Röntgenaufnahmen. Auf das Formular hatte er geschrieben: Ganz umsonst aufgetakelt.
Zurück in meinem Büro, rief ich eine Biologieprofessorin an der McGill University an. Sie beschäftigte sich nicht mit Kieselalgen, ein Kollege von ihr allerdings schon. Ich durfte die Proben der Leiche aus dem Lac des Deux Montagnes spätnachmittags am nächsten Tag abliefern.
Nachdem ich die Socken und die Knochenprobe verpackt und die Formulare ausgefüllt hatte, wandte ich mich Pelletiers vergessener Leiche zu.
Ein Vergleich der antemortalen mit den postmortalen Röntgenbildern ergab, dass der Verblichene ein Junggeselle war, dessen einziger lebender Bruder nach Griechenland gezogen war. Die Beerdigung des Mannes war bereits vor zwei Jahren per Zahlungsanweisung bezahlt worden. Dank unserer eindeutigen Identifikation war der Fall nun eine Sache für den Coroner.
Als ich in mein Labor zurückkehrte, sah ich, dass Genevièves Knochen endlich aus dem Kocher draußen waren. Den Rest des Vormittags und einen Großteil des Nachmittags brachte ich damit zu, jeden einzelnen mit meinem neuen Leica-Stereomikroskop mit vergrößertem Digitaldisplay zu untersuchen. Nachdem ich mich jahrelang über einen Dinosaurier gebeugt hatte, bei dessen Positionierung ich mir des Öfteren fast einen Bruch gehoben hätte, war ich jetzt ausgerüstet mit dem neuesten Stand der Technik. Ich liebte dieses Mikroskop.
Dennoch erbrachte die Vergrößerung sehr wenig. Lippenförmige Aufwölbung der Zwischenglied-Gelenksoberflächen des rechten mittleren Zehs. Eine asymmetrische Erhöhung auf dem vorderen Mittelschaft des rechten Wadenbeins. Von diesen verheilten, kleineren Verletzungen abgesehen, war Genevièves Skelett auffällig unauffällig.
Ich rief LaManche an.
»Sie hat sich einen Zeh gestaucht und das Schienbein angeschlagen«, fasste er meine Befunde zusammen.
»Ja«, pflichtete ich ihm bei.
»Das hat sie nicht umgebracht.«
»Nein.« Hier war ich ebenfalls seiner Meinung.
»Das ist doch etwas.«
»Tut mir leid, dass ich nicht mehr zu berichten habe.«
»Wie gefällt Ihnen das neue Mikroskop?«
»Die Auflösung ist fantastisch.«
»Freut mich sehr, dass es Ihnen gefällt.«
Ich legte eben auf, als Lisa mit einem großen Pappkarton in mein Zimmer
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