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Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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ich uns einen Weg nach oben bahnten. Schon jetzt spürte ich, wie mein Magen sich zusammenzog und in meiner Brust sich ein Gefühl der Leere ausbreitete. Obwohl es mein Beruf ist, habe ich mich an den Anblick gewaltsamen Todes noch immer nicht gewöhnt.
    Vom Treppenabsatz ging links eine Tür ab, eine rechts, und direkt vor uns lag ein Bad. Obwohl vom Rauch stark beschädigt, schien der erste Stock im Vergleich zum Erdgeschoß noch einigermaßen intakt zu sein.
    Durch die linke Tür sah ich einen Sessel, ein Bücherregal und das Fußende eines Betts. Darauf ein Paar Beine. LaManche und ich betraten das linke Zimmer, Hubert sah im rechten nach.
    Die hintere Wand war zum Teil verbrannt, an einigen Stellen waren die Balken hinter der gemusterten Tapete zu erkennen. Das Holz war pechschwarz, die Oberfläche rauh und geschuppt, wie die Haut eines Krokodils. »Alligatorisiert«, würden die Brandstiftungsspezialisten schreiben. Verkokelter und gefrorener Schutt lag auf dem Boden, und alles war rußbedeckt.
    LaManche sah sich eingehend um und zog dann ein winziges Diktaphon aus seiner Tasche. Er nannte Datum, Zeit und Ort und begann dann, die Opfer zu beschreiben.
    Die Leichen lagen auf zwei Einzelbetten, die in der entfernten Ecke des Zimmers, von einem Tischchen getrennt, im rechten Winkel zueinander standen. Merkwürdigerweise schienen beide völlig bekleidet zu sein. Das Opfer an der hinteren Wand trug Turnschuhe, das an der Seitenwand war in Strumpfsocken gestorben. Ich bemerkte, daß eine Sportsocke zum Teil heruntergezogen war und einen rauchfleckigen Knöchel entblößte. Die Sockenspitze hing schlaff von den Zehen. Beide Opfer waren Erwachsene. Der eine wirkte etwas kräftiger als der andere.
    »Opfer Nummer eins…«, fuhr LaManche fort.
    Ich zwang mich, genauer hinzusehen. Opfer Nummer eins hatte die Arme erhoben und abgewinkelt, als wollte es kämpfen. Boxerpose. Das Feuer war nicht heiß oder lang genug gewesen, um sämtliches Fleisch zu vernichten, hatte aber doch so viel Hitze entwickelt, daß die Haut an den Oberarmen verbrannt war und die Muskeln sich zusammengezogen hatten. Unter den Ellbogen waren die Arme steckendünn. Klumpen versengten Gewebes hingen an den Knochen. Die Hände waren geschwärzte Stümpfe.
    Das Gesicht erinnerte mich an Ramses’ Mumie. Die Lippen waren verbrannt und entblößten Zähne mit dunklem und gesprungenem Schmelz. Ein Schneidezahn war dünn in Gold gefaßt. Auch die Nase war verbrannt und eingedrückt, die Nasenlöcher wiesen nach oben wie die Schnauze einer Fledermaus. Ich konnte einzelne Muskelfasern erkennen, die die Augenhöhlen umgaben und sich über Wangenknochen und Unterkiefer erstreckten, wie auf einer Strichzeichnung in einem Anatomiebuch. Jede Höhle enthielt einen vertrockneten und verschrumpelten Augapfel. Die Haare waren verschwunden. Die Schwarte am Schädeldach ebenso.
    Opfer Nummer zwei war genauso tot, aber besser erhalten. Teile der Haut waren geschwärzt und aufgeplatzt, der Großteil jedoch nur rußgeschwärzt. Feine weiße Linien gingen von den Augenwinkeln aus, und die Ohren waren an den Innenseiten und unter den Läppchen blaß. Von den Haaren war nur noch eine krause Kappe übrig. Ein Arm lag flach am Körper an, der andere war nach rechts weggestreckt, als hätte das Opfer im Tod nach seinem Partner gegriffen. Die ausgestreckte Hand war nur noch eine knochige, geschwärzte Klaue.
    Mit düster monotoner Stimme fuhr LaManche fort, das Zimmer und seine leblosen Bewohner zu beschreiben. Ich hörte nur halb zu, erleichtert, daß ich hier wohl nicht gebraucht würde. Oder doch? Angeblich hatten hier Kinder gewohnt. Wo waren sie? Durch das offene Fenster sah ich Sonnenschein, Fichten und glitzernden weißen Schnee. Draußen ging das Leben weiter.
    Plötzliche Stille riß mich aus meinen Gedanken. LaManche hatte aufgehört zu diktieren und die Wollhandschuhe mit solchen aus Latex vertauscht. Er begann nun, Opfer Nummer zwei zu untersuchen, hob die Augenlider an und inspizierte Nasenhöhlen und Mundraum. Dann drehte er die Leiche zur Wand und hob das Hemd an.
    Die äußere Hautschicht war aufgeplatzt, die Ränder rollten sich auf. Die abstehende Epidermis wirkte durchscheinend, wie der zarte Film in einem Ei. Das Gewebe darunter war hellrot und an den Stellen, wo es Kontakt mit dem zerdrückten Laken gehabt hatte, weiß gesprenkelt. LaManche drückte einen latexgeschützten Finger in den Rückenmuskel, und in dem scharlachroten Fleisch erschien ein weißer

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