Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
Sein Kinnriemen hüpfte beim Reden. »Das war ein richtiges Höllenfeuer, und wir wollen nicht, daß es noch einmal auflodert.« Er deutete hinter mich. »Sehen Sie dieses Vordach da draußen?«
Ich drehte mich um. Durch den leeren Fensterrahmen sah ich eine Platte gewellten Metalls. Sie war aufgeplatzt und verbogen, die Kanten waren eingerollt und schwarz wie verbrannte Löckchen.
»Das ist Aluminium. Um Aluminium zu schmelzen, braucht man mindestens elfhundert Grad Celsius.« Er schüttelte den Kopf, und sein Riemen baumelte hin und her. »Das meine ich mit Höllenfeuer.«
»Wissen Sie, was den Brand ausgelöst hat?« fragte ich.
Er zeigte auf einen Propangasbehälter neben meinen Füßen. »Bis jetzt haben wir zwölf von diesen Scheißdingern gefunden. Entweder jemand wußte genau, was er tat, oder einer von den Wichsern hatte keine Ahnung vom Grillen.« Er errötete leicht. »‘tschuldigung.«
»Brandstiftung?«
Feuerwehrhauptmann Grenier zuckte die Achseln und hob abwehrend die Hände. »Das habe ich nicht zu entscheiden.« Er schnallte sich den Kinnriemen wieder zu und packte die Leiterholme. »Wir wollen nur noch den Schutt beiseite räumen, um sicherzugehen, daß wirklich nirgendwo mehr etwas schwelt. Bei den Knochen sind wir extra vorsichtig. Ich pfeife, wenn’s sicher ist.«
»Spritzen Sie kein Wasser auf die Überreste«, sagte ich.
Er legte die Hand an den Helm und verschwand die Leiter hinunter.
Es dauerte dreißig Minuten, bis man mich in den Keller ließ. In dieser Zeit ging ich zum Bergungswagen der Spurensicherung, um meine Ausrüstung zu holen und einen Fotografen zu suchen. Ich fand Pierre Gilbert und bat ihn, im Keller ein Erdsieb und einen Strahler aufstellen zu lassen.
Der Keller bestand nur aus einem einzigen Raum, dunkel, feucht und kälter als der Yellowknife-Nationalpark im Januar. Am entfernten Ende stand ein Heizbrenner, von dem Rohre schwarz und knorrig in die Höhe stiegen wie die Äste einer riesigen toten Eiche. Das Bild erinnerte mich an einen anderen Keller, den ich vor nicht allzu langer Zeit besucht hatte. In dem hatte sich ein Serienmörder versteckt.
Die Wände bestanden aus Schlackenstein. Die meisten der großen Trümmer waren beiseite geräumt und an den Wänden gestapelt, so daß jetzt der Lehmboden zu sehen war. An einigen Stellen hatte das Feuer ihn rötlichbraun verfärbt, an anderen war er schwarz und steinhart, wie im Ofen gebrannte Keramikfliesen. Alles war mit einer dünnen Eismembran überzogen.
Hauptmann Grenier führte mich zu einer Stelle am rechten Rand des Deckeneinbruchs. Er sagte, daß sonst nirgendwo mehr Opfer gefunden worden seien. Ich hoffte, daß er recht behielt. Bei dem Gedanken, den ganzen Keller durchsuchen zu müssen, wären mir fast die Tränen gekommen. Grenier wünschte mir viel Glück und kehrte zu seinen Männern zurück.
In diesen Winkel drang kaum noch etwas von dem Sonnenlicht, das die Küche erhellte, ich zog deshalb eine Hochleistungsstablampe aus meinem Ausrüstungskoffer und leuchtete die Umgebung ab. Ein Blick, und das Adrenalin schoß mir durch den Kopf. So etwas hatte ich nicht erwartet.
Die Überreste lagen in einem Umkreis von mindestens drei Metern verstreut. Sie waren zum Großteil skelettiert und wiesen unterschiedliche Grade der Hitzeeinwirkung auf.
In einem Häufchen erkannte ich einen Schädel, umgeben von Fragmenten unterschiedlicher Form und Größe. Einige waren schwarz und glänzend wie der Schädel. Andere waren kalkweiß und sahen aus, als würden sie gleich zerbröseln. Und genau das würden sie auch, wenn man sie nicht richtig behandelte. Kalzinierter Knochen ist federleicht und sehr zerbrechlich. Ja. Das würde eine schwierige Bergung werden.
Eineinhalb Meter südlich des Schädels lag eine Ansammlung von Wirbeln, Rippen und langen Knochen in anatomisch annähernd korrekter Position. Ebenfalls weiß und völlig kalziniert. Ich prägte mir die Ausrichtung der Wirbel und die Lage der Armknochen ein. Die Überreste lagen mit dem Gesicht nach oben, ein Arm auf der Brust, der andere über dem Kopf.
Unter den Oberarmen und dem Brustkorb lag eine herzförmige schwarze Masse, aus der distal zwei gebrochene lange Knochen herausragten. Das Becken. Darunter sah ich die verkohlten, fragmentierten Knochen von Beinen und Füßen.
Ich empfand Erleichterung, aber auch eine gewisse Verwirrung. Hier handelte es sich um ein einzelnes, voll ausgewachsenes Opfer. Wirklich? Knochen von Kleinkindern sind winzig und extrem
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