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Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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sie plötzlich in Tränen ausbrechen hörte. Ihre Stimme versagte, der Satz ging in Schluchzen unter. Verwirrt wartete ich. Was sollte ich ihr sagen?
    Dann ließ das Schluchzen nach, ich hörte, wie Papiertaschentücher aus einer Box gezogen wurden, dann Schneuzen.
    »Ich … ich … Bitte verzeihen Sie mir.« Ihre Stimme zitterte.
    Trösten ist noch nie meine Stärke gewesen. Auch bei Leuten, die mir nahestehen, werde ich in gefühlsgeladenen Situationen verlegen, komme mir unzulänglich vor. Ich halte mich lieber ans Praktische.
    »Ist Anna früher schon einmal verschwunden?«
    »Ich glaube nicht. Meine Schwester und ich, wir… stehen nicht immer im besten Einvernehmen.« Sie hatte sich offenbar etwas beruhigt und jonglierte nun wieder mit den Wörtern.
    »Hat sie Probleme im College?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Mit Freunden? Einem Mann vielleicht?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Sind Ihnen in letzter Zeit irgendwelche Veränderungen an ihr aufgefallen?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Hat sie ihre Eßgewohnheiten verändert? Schläft sie mehr oder weniger als sonst? Ist sie verschlossener geworden?«
    »Ich… tut mir leid. Seit Anna auf der Universität ist, sehe ich sie nicht mehr so häufig wie früher.«
    »Besucht sie ihre Kurse?«
    »Ich bin mir nicht sicher.« Ihre Stimme verklang beim letzten Wort. Sie schien völlig erschöpft.
    »Versteht sich Anna mit ihrer Mutter?«
    Eine lange Pause entstand.
    »Es gibt die üblichen Spannungen, aber ich weiß, daß Anna ihre Mutter liebt.«
    Bingo.
    »Schwester, vielleicht braucht Ihre Nichte einfach Zeit für sich. Ich bin sicher, wenn Sie noch einen oder zwei Tage warten, dann kommt sie zurück oder ruft wenigstens an.«
    »Ja, Sie haben wahrscheinlich recht, aber ich komme mir so hilflos vor wegen Virginie. Sie ist völlig außer sich. Ich kann nicht vernünftig mit ihr reden, und ich habe mir gedacht, wenn ich ihr sagen könnte, daß die Polizei sich darum kümmert, dann… würde sie das vielleicht beruhigen.«
    Ich hörte, wie ein neues Tuch aus der Box gezogen wurde, und befürchtete eine neue Runde Tränen.
    »Lassen Sie mich mal telefonieren. Ich weiß nicht, ob es etwas bringt, aber ich kann’s ja mal versuchen.«
    Sie dankte mir, und ich legte auf. Einen Augenblick lang saß ich da und überlegte mir, was ich tun konnte. Ich dachte an Ryan, aber die McGill liegt auf der Insel Montreal.
    Zuständigkeitsbereich der Communauté Urbain de Montreal Police. CUM. Die Vermittlungsdame meldete sich, und ich nannte ihr einen Namen.
    »Monsieur Charbonneau, s’il vous plaît.«
    »Un instant, s’il vous plaît.«
    Kurz darauf meldete sie sich wieder und sagte, daß Charbonneau den ganzen Nachmittag außer Haus sei.
    »Wollen Sie Monsieur Claudel?«
    »Ja.« So wie ich Milzbrand wollte. Verdammt.
    »Claudel«, sagte die nächste Stimme.
    »Monsieur Claudel. Tempe Brennan hier.«
    Im ersten Augenblick hörte ich gar nichts. Ein Gespräch mit diesem Detective war mir so angenehm wie ein Furunkel. Aber da ich mit jugendlichen Ausreißern nichts zu tun hatte, wußte ich nicht, mit wem ich sonst sprechen könnte. Claudel und ich hatten schon öfters in CUM-Fällen zusammengearbeitet, inzwischen tolerierte er mich immerhin, und deshalb hoffte ich, daß er mir wenigstens sagen würde, an wen ich mich wenden sollte.
    »Oui?«
    »Monsieur Claudel, ich habe ein ziemlich eigenartiges Anliegen. Ich weiß, daß das strenggenommen nicht Ihr –«
    »Worum geht’s, Dr. Brennan?« Abrupt. Claudel war einer der wenigen, aus deren Mund die französische Sprache kalt klingen konnte. Nur die Fakten, Ma’am.
    »Ich habe eben einen Anruf von einer Frau erhalten, die sich Sorgen um ihre Nichte macht. Das Mädchen ist Studentin an der McGill, und die Familie hat sie seit Mittwoch nicht mehr gesehen. Ich habe mich gefra –«
    »Dann sollten Sie eine Vermißtenanzeige aufgeben.«
    »Der Mutter wurde gesagt, daß die Polizei erst nach achtundvierzig bis zweiundsiebzig Stunden in Aktion treten könne.«
    »Alter?«
    »Neunzehn.«
    »Name.«
    »Anna Goyette.«
    »Wohnt sie auf dem Campus?«
    »Das weiß ich nicht. Es klang nicht so. Ich glaube, sie wohnt bei ihrer Mutter.«
    »War sie am Mittwoch in ihren Kursen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wo wurde sie das letzte Mal gesehen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Noch eine Pause. Und dann: »Sie wissen eine Menge nicht, wie es aussieht. Es kann sein, daß es überhaupt kein Fall fürs CUM ist, und im Augenblick ist es mit Sicherheit kein Fall fürs

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