Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
auch als nützlich erwiesen zur Konservierung von Tätowierungen und strukturierten Verletzungen auf der Haut. Ich hatte Marc schon Hunderte Male dabei zugesehen und ihm in einigen Fällen assistiert.
Ich holte Bergerons Ausrüstung aus einem Schrank im ersten Autopsiesaal und breitete dann die Gerätschaften auf einem Edelstahlrollwagen aus. Als ich mir die Handschuhe übergestreift hatte, war der Fotograf bereit, und LaManche nickte mir zu, daß ich anfangen könne. Ryan und Bertrand sahen zu.
Ich maß fünf Löffel eines rosafarbenen Pulvers ab, schüttete sie in ein Glasschälchen und goß zwanzig Kubikzentimeter eines klaren flüssigen Monomers hinzu. Ich rührte um, und nach einer Minute hatte sich die Mischung zu einer Masse verdickt, die aussah wie rosafarbenes Plastilin. Ich formte daraus einen Ring und legte ihn so auf die winzige Brust, daß er die Quetschung völlig umschloß. Das Acryl fühlte sich warm an, als ich es festdrückte.
Um das Aushärten zu beschleunigen, legte ich ein feuchtes Tuch über den Ring und wartete. In weniger als einer Minute war das Acryl ausgekühlt. Ich griff nach einer Tube und drückte eine klare Flüssigkeit um den Rand des Rings.
»Was ist das?« fragte Ryan.
»Zyanoacrylat.«
»Riecht wie Sekundenkleber.«
»Ist es auch.«
Ich wartete einige Augenblicke und zog dann sanft an dem Ring, um zu sehen, ob der Kleber schon hart war. Noch ein paar Tropfen, ein wenig Warten, und der Ring hielt. Ich beschriftete ihn mit dem Datum, der Fall- und der Leichenhallennummer und markierte Oben und Unten, Links und Rechts im Verhältnis zur Brust des Babys.
»Fertig«, sagte ich und trat zurück.
Mit einem Skalpell durchtrennte LaManche die Haut um den Ring, wobei er so tief schnitt, daß sich auch das darunterliegende Fettgewebe löste. Als er den Ring abhob, klebte das verletzte Hautstück straff und fest daran, wie ein winziges Gemälde in einem runden, rosafarbenen Rahmen. LaManche legte das Beweisstück in ein Gefäß mit einer klaren Flüssigkeit, das ich bereithielt.
»Was ist das?« fragte Ryan noch einmal.
»Eine zehnprozentige, gepufferte Formalinlösung. In zehn bis zwölf Stunden ist das Gewebe fixiert. Der Ring wird dafür sorgen, daß es keine Verzerrungen gibt, so daß wir später, falls wir eine Waffe haben, diese mit der Verletzung vergleichen können. Und natürlich haben wir auch noch die Fotos.«
»Warum benutzen Sie nicht einfach nur die Fotos?«
»Mit dem hier können wir eine Transillumination durchführen.«
»Eine Transillumination?«
Da ich im Augenblick wenig Lust auf einen naturwissenschaftlichen Vortrag hatte, hielt ich die Erklärung einfach. »Man kann das Gewebe durchleuchten, um zu sehen, was sich unter der Haut befindet. Das fördert oft Details zutage, die auf der Oberfläche nicht sichtbar sind.«
»Was meinen Sie, womit das gemacht wurde?« fragte Bertrand.
»Keine Ahnung«, sagte ich, verschraubte das Glas und gab es Lisa.
Als ich mich abwandte, spürte ich eine große Traurigkeit, und ich konnte nicht anders, ich mußte die winzige Hand anheben. Sie fühlte sich weich und kalt in meinen Fingern an. Ich drehte die Klötzchen am Handgelenk. M-A-T-H-I-A-S.
Es tut mir leid, Mathias.
Als ich den Kopf hob, sah LaManche mich direkt an. In seinen Augen schien sich die Verzweiflung zu spiegeln, die ich empfand; Ich trat zurück, und er begann die innere Untersuchung. Er würde die Endstücke aller Knochen, die der Mörder durchtrennt hatte, auslösen und zu mir nach oben schicken, aber ich war nicht sehr optimistisch. Obwohl ich noch nie nach Waffenspuren an einem so jungen Opfer gesucht hatte, befürchtete ich, daß die Rippen dieses Babys zu winzig waren, um solche Details zu bewahren.
Ich zog die Handschuhe aus und drehte mich zu Ryan um, als Lisa zu einem Y-förmigen Schnitt auf der Brust des Kleinen ansetzte.
»Sind die Tatortfotos hier?«
»Nur die Reservebilder.«
Er gab mir einen großen braunen Umschlag mit einer Serie Polaroids. Ich ging damit zum Ecktisch.
Das erste zeigte das größte Nebengebäude des Chalets in St. Jovite. Der Baustil war der des Haupthauses: alpiner Schund. Das nächste war drinnen aufgenommen worden, von einem Treppenabsatz nach unten. Es war ein dunkler, schmaler Schacht mit Wänden auf beiden Seiten, hölzernen Handläufen und Gerümpel an den Stufenrändern.
Dann kamen mehrere Aufnahmen eines Kellers aus verschiedenen Blickwinkeln. Der Raum war düster, die einzige Helligkeit kam von einem Fenster
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