Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
knapp unter der Decke. Linoleumboden. Wandverkleidung aus Astfichte. Waschwannen. Ein Heißwasserboiler. Noch mehr Gerümpel.
Einige Fotos zeigten den Boiler in Großaufnahme, dann die Nische zwischen ihm und der Wand. Sie war vollgestopft mit etwas, das aussah wie alte Teppiche und Plastiksäcke. Die nächsten Bilder zeigten diese Gegenstände nebeneinander auf dem Boden, zuerst ungeöffnet, dann offen, um ihren Inhalt zu präsentieren.
Die Erwachsenen waren in große Bahnen transparenter Plastikfolie gewickelt und dann in Teppiche eingerollt, die man hinter dem Boiler verstaut hatte. Ihre Leichen waren aufgebläht und wiesen Hautablösungen auf, waren aber ansonsten gut erhalten.
Ryan kam zu mir.
»Der Boiler war offensichtlich ausgeschaltet«, sagte ich und gab ihm das Bild. »Wenn er in Betrieb gewesen wäre, hätte die Wärme stärkere Verwesung verursacht.«
»Wir glauben, daß dieses Gebäude nicht benutzt wurde.«
»Was war es denn?«
Er zuckte die Achseln.
Ich wandte mich wieder den Polaroids zu.
Der Mann und die Frau waren vollständig bekleidet, allerdings barfuß. Man hatte ihnen die Kehlen durchgeschnitten, Blut hatte die Kleidung durchtränkt und die Plastikfolie befleckt. Ein Arm des Mannes lag über dem Kopf, ich konnte tiefe Schnitte in seiner Handfläche erkennen. Abwehrverletzungen. Er hatte versucht, sich zu retten. Oder seine Familie.
O Gott. Ich schloß kurz die Augen.
Bei den Kindern war das Verpacken einfacher gewesen. Man hatte sie in Folie eingewickelt, in Müllsäcke gestopft und dann auf die Erwachsenen gestapelt.
Ich betrachtete die kleinen Hände, die fleischigen Fingerchen. Bertrand hatte recht. An den Babys würden wir keine Abwehrverletzungen finden. Eine Mischung aus Wut und Trauer durchströmte mich.
»Ich will diesen Scheißkerl haben.« Ich sah Ryan in die Augen.
»Ja.«
»Ich will, daß Sie ihn schnappen, Ryan. Ich meine es ernst. Ich will ihn haben. Bevor wir noch ein abgeschlachtetes Baby sehen. Wozu sind wir denn gut, wenn wir so etwas nicht stoppen können?«
Die Stahlblauen erwiderten meinen Blick. »Wir kriegen ihn, Brennan. Darauf können Sie Gift nehmen.«
Den Rest des Tages fuhr ich im Aufzug zwischen meinem Büro und den Autopsien hin und her. Die ganze Prozedur würde mindestens zwei Tage dauern, da LaManche alle vier Opfer obduzierte. Das ist üblich bei mehrfachen Morden. Nur einen Pathologen mit der Arbeit zu betrauen bedeutet eine stärkere Kohärenz des Falles und eine erhöhte Stimmigkeit der Zeugenaussage vor Gericht.
Als ich um ein Uhr vorbeischaute, war Mathias bereits wieder im Kühlfach, und die Autopsie des zweiten Babys hatte begonnen. Einen Augenblick lang kam ich mir vor wie Bill Murray in Und täglich grüßt das Murmeltier. Die Szene vom Vormittag wiederholte sich. Dieselben Schauspieler. Derselbe Schauplatz. Dasselbe Opfer. Nur daß dieses Opfer ein Armband mit der Klötzchenreihe M-A-L-A-C-H-Y trug.
Um halb fünf war Malachys Bauch wieder geschlossen, das winzige Schädeldach aufgesetzt, das Gesicht wieder an Ort und Stelle. Bis auf den Y-Schnitt und die Verwüstung des Brustkorbs waren die Babys bereit für die Beerdigung. Bis jetzt hatten wir keine Ahnung, wo die stattfinden würde. Oder wer sich darum kümmern würde.
Auch Ryan und Bertrand kamen und gingen. Man hatte den Jungen Fußabdrücke abgenommen, aber die Kleckse auf den Geburtsunterlagen der Krankenhäuser sind notorisch unidentifizierbar, und Ryan war nicht sehr optimistisch.
Die Knochen in Hand und Handgelenk stellen über fünfundzwanzig Prozent des Gesamtskeletts dar. Ein Erwachsener hat siebenundzwanzig in jeder Hand, ein Kleinkind viel weniger, je nach Alter. Ich hatte die Röntgenaufnahmen untersucht, um festzustellen, welche Knochen vorhanden und wie gut sie ausgebildet waren.
Nach meiner Schätzung waren Mathias und Malachy etwa vier Monate alt, als sie ermordet wurden.
Diese Information wurde an die Medien weitergegeben, aber abgesehen von den üblichen Anrufen von Verrückten gab es kaum Reaktionen. Unsere größte Hoffnung setzten wir auf die Leichen der Erwachsenen im Kühlraum. Wir waren sicher, wenn wir die Erwachsenen erst einmal identifiziert hatten, würden die Kinder folgen. Für den Augenblick blieben sie Baby Mathias und Baby Malachy.
8
Am Freitag sah ich weder Ryan noch Bertrand. LaManche verbrachte den ganzen Tag im Keller mit den Leichen der Erwachsenen aus St. Jovite. Ich hatte die Rippen der Babys in Glasgefäßen im Histologielabor
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