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Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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konnte mich nicht erinnern, irgendwelche Termine vereinbart zu haben.
    Ich fragte nach dem Namen. Als ich ihn hörte, wurde mir flau.
    »O nein.« Ich konnte nicht anders.
    »Est-ce qu’il y a un problème?«
    »Non. Pas de problème.« Ich sagte ihm, ich käme gleich runter. Kein Problem. Wem machte ich da was vor?
    Im Aufzug sagte ich es noch einmal.
    O nein.

10
    »Was tust du denn hier?«
    »Na, du könntest dich aber auch freuen, mich zu sehen, große Schwester.«
    »Ich – natürlich freue ich mich, Harry. Ich bin nur überrascht.«
    Ich hätte nicht erstaunter sein können, wenn der Wachmann Teddy Roosevelt angekündigt hätte.
    Sie schnaubte. »Ich glaub’s dir aufs Wort.«
    Meine Schwester saß in der Halle des SQ-Gebäudes, umgeben von Einkaufstaschen von Nieman Marcus und Leinensäcken unterschiedlicher Formen und Größen. Sie trug rote Cowboystiefel mit schwarzen und weißen Verzierungen und eine dazu passende Lederjacke mit Fransen. Ihre Jeans waren so eng, daß sie ihr den Blutkreislauf abdrücken konnten. Und ich war nicht die einzige, die das sah.
    Harry umarmte mich. Wie sie auf andere wirkte, vor allem auf die anderen mit Y-Chromosomen, war ihr einerseits völlig bewußt, andererseits nahm sie es mit größter Unbefangenheit hin.
    »Mann, das ist vielleicht arschkalt hier. Ich bin so eisig, daß ich Tequila einfrieren könnte.« Sie hob die Schultern und schlang die Arme um sich.
    »Ja.« Wie sie das mit dem Tequila meinte, war mir nicht ganz klar.
    »Meine Maschine sollte eigentlich schon mittags landen, aber der verdammte Schnee hat uns aufgehalten. Na ja, aber jetzt bin ich da, große Schwester.«
    Sie ließ die Schultern sinken und streckte die Arme aus. Die Fransen an ihrer Jacke baumelten. Harry wirkte so fehl am Platze, daß es schon fast surreal war. Amarillo kommt in die Tundra.
    »Okay. Großartig. Was für eine Überraschung. Nun, ich… Was führt dich denn nach Montreal?«
    »Ich muß dir alles ganz genau erzählen. Es ist unglaublich. Als ich es hörte, hab ich meinen Ohren kaum getraut. Ich meine, hier in Montreal und alles.«
    »Was ist ›es‹, Harry?«
    »Das Seminar. Ich hab dir doch davon erzählt, Tempe. Ich hab’s gemacht. Ich habe mich für diesen Trainingskurs in Houston angemeldet, und jetzt bin ich voll eingestiegen. Ich war noch nie im Leben so gut drauf. Die erste Ebene habe ich mit links geschafft. Mit links. Einige Leute brauchen Jahre, um ihr eigentliches Sein zu begreifen, und ich hab’s in ein paar Wochen geschafft. Natürlich hatte ich ein bißchen Insider-Hilfe. Von Danny erzähle ich dir später. Ich meine, ich lerne jetzt einige sehr effektive therapeutische Strategien, und ich nehme mein Leben wirklich selbst in die Hand. Und als Danny mir dann eine Einladung für diesen Ebene-zwei-Workshop besorgt hat, und dann noch genau hier, wo meine große Schwester wohnt, na, da hab ich meine Sachen gepackt, und nichts wie ab nach Norden.«
    Harry strahlte mich mit klaren blauen, dick mit Mascara umrandeten Augen an.
    »Du bist hier für einen Workshop?«
    »Exactamundo. Und er kostet mich gar nichts. Na ja, fast nichts.«
    »Das mußt du mir alles ganz genau erzählen«, sagte ich und hoffte, daß der Kurs kurz sein würde. Ich war mir nicht sicher, ob die Provinz Quebec und Harry einander überleben konnten.
    »Die Sache ist echt total unglaublich«, sagte sie – eine hübsche Ausschmückung ihrer ursprünglichen Bewertung, allerdings mit nur geringem zusätzlichem Informationsgehalt.
    »Laß uns nach oben gehen, ich packe nur schnell zusammen. Oder willst du lieber hier warten?«
    »Auf keinen Fall. Ich will doch sehen, wo der große Leichendoktor arbeitet. Du gehst voraus.«
    »Du mußt ihm ein Paßfoto für einen Besucherausweis geben«, sagte ich und deutete zum Wachmann am Empfang.
    Er beobachtete uns mit einem kleinen amüsierten Grinsen auf dem Gesicht und sprach, bevor wir uns bewegen konnten.
    »Votre soeur?« rief er quer durch die Halle und tauschte dabei Blicke mit den anderen Posten.
    Ich nickte. Offensichtlich wußte jeder, daß Harry meine Schwester war, und alle fanden es schrecklich amüsant.
    Der Wachmann winkte uns zu den Aufzügen.
    »Merci«, murmelte ich und warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
    »Mercy«, nuschelte Harry und bedachte jeden Wachmann mit einem strahlenden Lächeln.
    Wir nahmen ihr Gepäck und fuhren in den vierten Stock, wo ich alles im Gang vor meinem Büro aufstapelte, denn drinnen hätte ich es einfach nicht

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