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Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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darauf kehrte Jeannotte zurück, setzte sich aber nicht mehr.
    »Studenten«, sagte sie lachend und schüttelte den Kopf.
    »Lassen Sie mich raten. Er braucht mehr Zeit für seine Seminararbeit.«
    »Es ist immer dasselbe.« Sie sah auf die Uhr. »Nun, Tempe, ich hoffe, Ihr Besuch hat Ihnen weitergeholfen. Sie passen doch gut auf die Tagebücher auf? Sie sind sehr kostbar.« Die Audienz war zu Ende.
    »Natürlich. Ich bringe sie spätestens am Montag zurück.« Ich stand auf, steckte Jeannottes Material in meine Aktentasche und holte mir Jacke und Handtasche.
    »Das wäre sehr nett. Alles Gute.«
    Und mit einem Lächeln entließ sie mich.
     
    Im Winter zeigt der Himmel über Montreal vorwiegend Grautöne, von Taubengrau über Eisen zu Blei und Zink. Als ich Birks Hall verließ, hatten nasse Wolken den Tag zu stumpfem Zinn verfärbt.
    Ich hängte mir Handtasche und Aktentasche über die Schulter, steckte die Fäuste in die Taschen und stapfte den Hügel hinunter. Es blies ein unangenehmer, feuchter Wind, und nach kaum zwanzig Schritten stiegen mir die Tränen in die Augen, ich sah kaum noch etwas. Im Gehen blitzte ein Bild von Fripp Island vor mir auf. Fächerpalmen. Riedgras. Sonnenlicht, das auf den Marschen funkelt.
    Laß das, Brennan. Im März ist es in vielen Winkeln dieses Planeten windig und kalt. Hör auf, Carolina als Meßlatte für das Wetter der Welt zu benutzen. Es könnte schlimmer sein. Es könnte schneien. In diesem Augenblick traf mich die erste Flocke auf die Wange.
    Als ich die Wagentür öffnete, blickte ich auf und sah einen jungen Mann, der auf der anderen Straßenseite stand und zu mir herüberschaute. Parka und Schal kamen mir bekannt vor. Es war die leicht gebückte Gestalt von David, Jeannottes unglückseligem Besucher.
    Unsere Blicke trafen sich, und der Ausdruck offener Wut in seinen Augen erschreckte mich. Dann drehte sich der Student um, ohne ein Wort zu sagen, und lief die Straße hinunter davon. Irritiert stieg ich ins Auto und verriegelte die Türen. Er war Jeannottes Problem und nicht meins, und dafür war ich sehr dankbar.
    Auf der Fahrt zurück ins Labor ging ich, wie ich es immer tat, das eben Erlebte noch einmal durch und überlegte mir, was noch alles zu tun war. Wo war Anna? Sollte man Sandys Bemerkung über einen Kult ernst nehmen? Hatte Dr. Jeannotte recht? Oder waren Satanskulte doch viel mehr als harmlose Jugendclubs? Warum hatte ich Jeannotte nicht gebeten, mir Gründe für ihre Überzeugung zu nennen, daß Anna wohlauf war? Unser Gespräch hatte mich dermaßen fasziniert, daß es mich von Anna völlig abgelenkt hatte. War das Absicht gewesen? Verheimlichte mir Jeannotte etwas? Wenn ja, was und warum? Oder beschützte die Professorin nur ihre Studenten vor Fremden, die ihr Privatleben ausspionieren wollten? Wie sah Annas »unmögliche häusliche Situation« aus?
    Wie sollte ich es schaffen, die Tagebücher übers Wochenende durchzusehen? Mein Flug ging Montag um fünf. Konnte ich die Berichte über die Babys und Élisabeth Nicolet am Samstag abschließen und die Kladden am Sonntag durcharbeiten? Kein Wunder, daß ich kein Privatleben hatte…
    Als ich die Rue Parthenais erreichte, fiel der Schnee so dicht, daß er auf der Straße liegenblieb. Ich fand einen Parkplatz direkt vor der Tür und betete darum, daß der Schneepflug mein Auto bis zu meiner Rückkehr nicht zuschütten würde.
    Die Luft in der Halle war dampfig und roch nach feuchter Wolle. Ich trat meine Stiefel ab, was die bereits vorhandene, glitschige Pfütze geschmolzenen Schnees noch ein wenig vergrößerte, und drückte den Aufzugknopf. Auf der Fahrt nach oben versuchte ich, meine Unterlider von zerlaufenem Mascara zu säubern.
    Zwei rosa Zettel lagen auf meinem Schreibtisch. Schwester Julienne hatte angerufen. Bestimmt wollte sie Neues über Anna und Élisabeth erfahren. In beiden Fällen war ich noch nicht soweit. Der nächste. Ryan.
    Ich wählte, und er hob ab.
    »Lange Mittagspause.«
    Ich sah auf die Uhr. Viertel vor zwei.
    »Ich werde stundenweise bezahlt. Was gibt’s?«
    »Wir haben endlich den Besitzer des Hauses in St. Jovite ausfindig gemacht. Jacques Guillion heißt der Kerl. Er stammt aus Quebec City, ist aber schon vor Jahren nach Belgien gezogen. Sein augenblicklicher Aufenthaltsort ist noch unbekannt, aber eine Nachbarin sagt, daß Guillion das Haus in Quebec einer alten Dame namens Patrice Simonnet vermietet hat. Angeblich ist sie Belgierin, aber die Nachbarin ist sich da nicht ganz sicher.

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