Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
Außerdem sagt sie, daß Guillion ihr Autos zur Verfügung stellt. Wir überprüfen das gerade.«
»Ziemlich gut informierte Nachbarin.«
»Anscheinend waren die beiden befreundet.«
»Die verbrannte Leiche aus dem Keller könnte Simonnet sein.«
»Könnte, ja.«
»Bei der Autopsie haben wir Röntgenaufnahmen der Zähne gemacht. Sie sind bei Bergeron.«
»Wir haben den Namen an die RCMP weitergegeben. Die arbeiten mit Interpol zusammen. Wenn sie tatsächlich Belgierin ist, finden die sie auch.«
»Was ist mit den jungen Erwachsenen und den Babys?«
»Daran arbeiten wir noch.«
Einen Augenblick lang überlegten wir beide.
»Ziemlich großes Haus für eine alleinstehende alte Dame.«
»Wie’s aussieht, war sie gar nicht so allein.«
In den nächsten zwei Stunden löste ich das restliche Gewebe von den Rippen und untersuchte sie unter dem Mikroskop. Wie ich befürchtet hatte, waren auf den Knochen keine charakteristischen Kerben oder Muster zu finden. Ich konnte nichts anderes feststellen, als daß der Mörder ein sehr scharfes Messer mit nicht gezackter Klinge benutzt hatte. Schlecht für die Ermittlung. Gut für mich. Der Bericht würde sehr kurz werden.
Ich war noch kaum in mein Büro zurückgekehrt, als Ryan wieder anrief.
»Wie sieht’s mit ‘nem Bier aus?« fragte er.
»Ich habe kein Bier in meinem Büro, Ryan. Wenn ich eins hätte, würde ich es trinken.«
»Sie trinken doch sowieso nicht.«
»Warum fragen Sie mich dann nach einem Bier?«
»Ich frage Sie, ob Sie eins wollen. Könnte auch grün sein.«
»Was?«
»Sie sind doch Irin, Brennan, oder?«
Ich sah auf meinen Wandkalender. 17. März. Der Jahrestag einiger meiner besten Vorstellungen. Ich wollte mich nicht daran erinnern »Ich darf nicht mehr, Ryan.«
»War ja auch eher als Umschreibung für ›Wie wär’s mit ‘nem fröhlichen Abend‹ gedacht.«
»Soll das eine Verabredung werden?«
»Ja.«
»Mit Ihnen?«
»Nein, mit meinem Beichtvater.«
»Wow. Und was ist mit seinem Gelübde?«
»Brennan, wollen Sie heute abend mit mir auf ein Getränk ausgehen? Alkoholfrei?«
»Ryan, ich –«
»Heute ist St. Patricks Day. Es ist Freitag abend, und es schneit auf Teufel komm raus. Haben Sie ein besseres Angebot?«
Hatte ich nicht. Genaugenommen hatte ich überhaupt keine Angebote. Aber Ryan und ich arbeiteten häufig zusammen, und ich hatte mir geschworen, Arbeit und Privatleben immer auseinanderzuhalten.
Immer. Genau. In meinem gesamten Erwachsenenleben war ich weniger als zwei Jahre Single gewesen. Und auch dann war männliche Gesellschaft nicht absolut verboten.
»Ich halte das nicht für eine gute Idee.«
Es gab eine kurze Pause. Dann sagte er: »Wir hatten übrigens Glück mit der Simonnet. Der Interpol-Computer hat sie ausgespuckt. Geboren in Brüssel, lebte dort bis 93. Zahlt noch immer Steuern für ein Grundstück auf dem Land. Treues altes Mädchen, ging ihr ganzes Leben zum selben Zahnarzt. Der Kerl praktiziert seit der Steinzeit und hebt alles auf. Sie faxen uns die Befunde, und wenn sie passen, lassen wir uns die Originale schicken.«
»Wann ist sie geboren?«
Ich hörte Papierrascheln.
»1916.«
»Paßt. Familie?«
»Das überprüfen wir noch.«
»Warum hat sie Belgien verlassen?«
»Vielleicht brauchte sie einen Ortswechsel. Aber jetzt hören Sie mal, Madame, falls Sie es sich doch noch anders überlegen, ich bin ab neun im Hurley’s. Wenn’s an der Tür ‘ne Schlange gibt, nennen Sie meinen Namen.«
Dann saß ich da und überlegte mir, warum ich nein gesagt hatte. Pete und ich hatten eine Übereinkunft getroffen. Wir liebten uns noch immer, aber wir konnten nicht zusammenleben. Mit räumlicher Distanz konnten wir Freunde sein, und tatsächlich war unsere Beziehung so gut wie seit Jahren nicht mehr. Pete hatte seine Rendezvous, und ich konnte dasselbe tun. O Gott. Rendezvous. Das Wort beschwor Bilder von Akne und Zahnspangen herauf.
Um ehrlich zu sein, fand ich Andrew Ryan außergewöhnlich attraktiv. Keine Pickel, keine Gebißregulatorien. Und strenggenommen arbeiteten wir auch nicht zusammen. Aber ich fand ihn auch außergewöhnlich irritierend. Und unberechenbar. Nein. Ryan bedeutete Probleme.
Ich schloß eben meinen Bericht über Malachy und Mathias ab, als das Telefon schon wieder klingelte. Ich lächelte. Okay, Ryan, du hast gewonnen.
Die Stimme des Wachmanns am Empfang meldete mir, daß ich Besuch habe. Ich sah auf die Uhr. Zwanzig nach vier. Wer konnte so spät noch etwas von mir wollen? Ich
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