Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
Woche her, und wir haben noch immer keine Ahnung, wer diese Leute sind.«
»Ja.« Er lächelte Harry an, die interessiert zuhörte. Ihr Flirten ging mir allmählich auf die Nerven.
»Sonst haben Sie im Haus keine Hinweise gefunden?«
»Haben Sie zufällig von dieser kleinen Auseinandersetzung am Dienstag auf West Island gehört? Die Rock Machine hat zwei Hells Angels das Licht ausgeknipst. Die Angels haben das Feuer erwidert und einen Rocker getötet und drei andere schwer verletzt. Ich hatte also noch was anderes zu tun.«
»Patrice Simonnet hat eine Kugel in den Kopf bekommen.«
»Die Motorradjungs haben außerdem einen zwölfjährigen Jungen erschossen, der zufällig auf dem Weg zum Eishockeytraining war.«
»O Gott. Hören Sie, ich will ja nicht sagen, daß Sie Ihre Arbeit schleifen lassen, aber irgend jemand muß diese Leute doch vermissen. Wir reden schließlich von einer ganzen Familie. Und noch zwei anderen. In dem Haus muß doch einfach was sein, das uns einen Hinweis liefert.«
»Die Spurensicherung hat siebenundvierzig Kartons mit Zeug rausgeschleppt. Wir gehen das alles durch, aber bis jetzt nichts. Keine Briefe. Keine Schecks. Keine Fotos. Keine Einkaufslisten.
Keine Adreßbücher. Strom-, Wasser- und Telefonrechnungen wurden von Simonnet bezahlt. Heizöl wurde einmal im Jahr geliefert, und sie hat immer im voraus bezahlt. Wir können niemanden finden, der in dem Haus war, seit Simonnet es gemietet hat.«
»Was ist mit der Grundsteuer?«
»Guillion. Zahlt mit einem Scheck der Citicorp in New York.«
»Wurden irgendwelche Waffen sichergestellt?«
»Nein.«
»Was Selbstmord so ziemlich ausschließt.«
»Ja. Und daß die Oma die Familie abgestochen hat, ist unwahrscheinlich.«
»Haben Sie die Adresse durch den Computer laufen lassen?«
»Negativ. Die Polizei wurde noch nie dorthin gerufen.«
»Haben Sie sich die Telefonaufzeichnungen besorgt?«
»Sind angefordert.«
»Was ist mit den Autos? Waren die nicht registriert?«
»Beide auf Guillion. Und die Adresse in St. Jovite. Die Versicherung bezahlt er ebenfalls per Scheck.«
»Hatte Simonnet einen Führerschein?«
»Ja, einen belgischen. Keine Eintragungen.«
»Krankenversicherungskarte?«
»Nein.«
»Sonst irgendwas?«
»Hat sich noch nichts ergeben.«
»Wer hat die Autos gewartet?«
»Anscheinend hat Simonnet sie in eine Werkstatt in der Stadt gebracht. Die Beschreibung paßt. Sie hat bar bezahlt.«
»Und das Haus? Eine neunundsiebzigjährige Frau wird ihre Reparaturen kaum selber machen.«
»Offensichtlich haben auch andere Leute dort gewohnt. Die Nachbarn sagen, daß das Paar mit den Babys schon einige Monate dort war. Sie haben auch andere Autos vorfahren sehen, manchmal mehrere gleichzeitig.«
»Vielleicht hatte sie Pensionsgäste.«
Wir drehten uns beide zu Harry um.
»Ihr wißt schon. Vielleicht hat sie Zimmer vermietet.«
Ryan und ich ließen sie weiterreden.
»Ihr könntet die Zeitungen auf Anzeigen überprüfen. Oder die Kirchenblättchen.«
»Sie scheint keine große Kirchgängerin gewesen zu sein.«
»Vielleicht hat sie einen Drogenring geleitet. Zusammen mit diesem Guillion. Deswegen wurde sie umgebracht. Und deshalb gibt’s auch keine Daten über sie.« Harrys Augen waren rund vor Aufregung. Sie redete sich richtig in Fahrt. »Vielleicht hat sie sich da draußen versteckt.«
»Wer ist dieser Guillion?« fragte ich.
»Die Polizei hat weder hier noch dort was über ihn. Die belgischen Kollegen überprüfen ihn gerade. Der Kerl lebt ziemlich für sich, also weiß kaum jemand was über ihn.«
»Wie die alte Dame.«
Ryan und ich starrten sie an. Gut kombiniert, Harry.
Ein Telefon klingelte, was bedeutete, daß die Anlage bereits auf Nachtmodus geschaltet war.
»Na, ich hoffe, man sieht sich heute abend.« Maverick meldete sich zurück.
»Wahrscheinlich nicht. Ich muß diesen Nicolet-Bericht endlich fertigkriegen.«
Harry öffnete den Mund, doch als sie meinen Blick sah, schloß sie ihn wieder.
»Trotzdem vielen Dank, Ryan.«
»Enchanté«, sagte er zu Harry, drehte sich dann um und ging den Korridor hinunter.
»Wenn das kein gutaussehender Cowboy ist.«
»Den brauchst du gar nicht ins Visier zu nehmen. Sein kleines schwarzes Buch hat mehr Einträge als das Telefonbuch von Omaha.«
»Ich schau doch nur, Herzchen. Das kostet nichts.«
Obwohl es erst fünf Uhr war, war es bereits dunkel, als wir ins Freie traten. Scheinwerfer und Straßenlaternen strahlten durch fallenden Schnee. Ich schloß das
Weitere Kostenlose Bücher