Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
Vom Netzwerk:
darüber, wich dann aber entsetzt zurück.
    Was ich sah, war kein Gesicht mehr, sondern ein von Aasfressern kahlgenagter Schädel. Was aussah wie Augen, Nase und Lippen, waren in Wirklichkeit Häufchen winziger Krebse, Teile einer brodelnden Masse, die den Schädel bedeckte und sein Fleisch fraß.
    Als ich mich umsah, bemerkte ich, daß auch andere hier geäst hatten. Rechts von mir lag ein zerfetztes Stück Brustkorb. In eineinhalb Metern Entfernung ragten Armknochen, die noch von vertrockneten Bändern zusammengehalten wurden, aus dem Unterholz.
    Ich ließ den Busch los und hockte mich, wie gelähmt von einem Gefühl der Kälte und Übelkeit, auf die Fersen. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich Sam näher kommen. Er sagte etwas, aber seine Worte drangen nicht zu mir durch. Irgendwo, eine Million Kilometer entfernt, wurde ein Motor zuerst lauter und stoppte dann.
    Ich wollte woanders sein. Ich wollte eine andere sein. Jemand, der nicht seit Jahren den Tod roch und die Entwürdigung sah, die er mit sich brachte. Jemand, der nicht Tag für Tag damit beschäftigt war, die menschlichen Überreste von Blutbädern wieder zusammenzusetzen, die brutale Zuhälter, wütende Ehemänner, zugedröhnte Kokser und Psychopathen angerichtet hatten. Ich war auf die Insel gekommen, um der Brutalität meines Arbeitsalltags zu entgehen. Aber sogar hier hatte der Tod mich gefunden. Ich war überwältigt. Ein neuer Tag. Ein neuer Tod. Mein Gott, wie viele solcher Tage würden noch kommen?
    »Was ist es?«
    Ich nickte in Richtung des Busches, und Sam bog ihn mit seinem Stiefel zurück.
    »Verdammte Scheiße.«
    Ich mußte ihm zustimmen.
    »Wie lange liegt das schon hier?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Tage? Wochen? Jahre?«
    »Das Grab hier war zwar eine Fundgrube für deine Inselfauna, aber der Großteil der Leiche sieht unberührt aus. Ich kann so nicht feststellen, in welchem Zustand sie ist.«
    »Die Affen haben sie nicht ausgegraben. Die rühren Fleisch nicht an. Müssen die verdammten Raubvögel gewesen sein.«
    »Raubvögel?«
    »Truthahngeier. Die lieben Affenkadaver.«
    »Ich würde auch die Waschbären verhören.«
    »Meinst du? Waschbären lieben Stechpalmen, aber ich dachte, sie fressen kein Aas.«
    Ich sah mir das Grab noch einmal an.
    »Die Leiche liegt auf der Seite, mit der rechten Schulter knapp unter der Oberfläche. Sicher hat der Geruch Aasfresser angezogen. Geier und Waschbären haben wahrscheinlich erst mal gegraben und gefressen und dann den Arm und den Kiefer herausgezogen, als die Verwesung die Gelenkverbindungen geschwächt hatte.« Ich deutete auf die Rippen. »Sie haben auch einen Teil des Brustkorbs abgenagt und den dann ebenfalls herausgezerrt. Der Rest der Leiche war wahrscheinlich zu tief oder zu schwer zu erreichen, deshalb haben sie ihn gelassen, wo er ist.«
    Mit einem Stock zog ich mir den Arm heran. Die Ellbogenverbindung war zwar noch intakt, aber die Enden der langen Knochen fehlten, an den rauhen, abgenagten Bruchstellen war das schwammartige Innere zu sehen.
    »Siehst du die Bißspuren an den Enden? Das waren Tiere. Und das da?« Ich deutete auf ein kleines rundes Loch. »Das ist eine Zahnmarke. Von was Kleinem, wahrscheinlich einem Waschbär.«
    »Verdammt.«
    »Und natürlich haben auch Krebse und Insekten ihren Teil dazu beigetragen.«
    Er richtete sich auf, machte eine halbe Drehung und rammte wütend seinen Absatz in die Erde. »O Gott. Und jetzt?«
    »Jetzt rufst du den zuständigen Leichenbeschauer, und er oder sie ruft seinen oder ihren zuständigen Anthropologen.« Ich erhob mich ebenfalls und wischte mir Erde von den Jeans. »Und natürlich muß auch der Sheriff informiert werden.«
    »Mensch, das ist ein Alptraum! Ich kann doch nicht zulassen, daß die Leute meine Insel überrennen.«
    »Sie müssen sie ja nicht gleich überrennen, Sam. Sie müssen nur herkommen, die Leiche bergen und vielleicht einen Leichenhund herumführen, um zu kontrollieren, ob hier sonst noch jemand vergraben ist.«
    »Aber wie zum –? Scheiße. Das ist unmöglich.« Schweiß lief ihm an der Schläfe herab. Seine Kiefermuskeln arbeiteten.
    Einen Augenblick lang sagte keiner etwas. Die Fliegen summten und schwirrten.
    Schließlich brach Sam das Schweigen. »Du mußt es tun.«
    »Was?«
    »Was eben getan werden muß. Das Zeug da ausgraben.« Er deutete auf das Grab.
    »Auf keinen Fall. Ich bin hier nicht zuständig.«
    »Es ist mir scheißegal, wer hier zuständig ist. Ich werde nicht zulassen, daß eine Horde Trottel

Weitere Kostenlose Bücher