Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
sagte Baker. »Ich habe noch nie was von ihnen gehört.«
Wir sahen zu, wie Helen das Farmhaus verließ und zu einem der Wohnwagen ging.
»Aber jetzt wird man sich mit ihnen beschäftigen«, fügte er hinzu und griff nach dem Zündschlüssel.
Einige Kilometer sagte keiner etwas. Wir überquerten die Brücke nach Beaufort hinein, als Ryan das Schweigen brach.
»Es muß eine Verbindung geben. Das kann kein Zufall sein.«
»Es gibt Zufälle«, sagte Baker.
»Ja.«
»Eine Sache beschäftigt mich«, sagte ich.
»Und was?«
»Als Heidi aufhörte, in die Klinik zu gehen, war sie im sechsten Monat. Ihre Eltern sagten, daß sie Ende August oder Anfang September in Texas auftauchte. Richtig?«
»Ja.«
»Aber die Anrufe an diese Nummer gingen weiter bis Dezember.«
»Ja«, sagte Ryan. »Das ist das Problem.«
19
Aus dem Nieseln wurde wieder Regen, als wir zur Beaufort-Jasper Comprehensive Health Clinic fuhren. Das Wasser färbte die Bäume dunkel und glänzend und ließ den Asphalt schimmern. Als ich das Fenster öffnete, roch ich Gras und feuchte Erde.
Wir fanden die Ärztin, mit der Ryan telefoniert hatte, und er zeigte ihr das Foto. Sie glaubte, Heidi als ihre Patientin wiederzuerkennen, war sich aber nicht ganz sicher. Die Schwangerschaft sei normal verlaufen. Sie habe ihr die üblichen pränatalen Medikamente verschrieben. Darüber hinaus konnte sie uns nichts sagen. An Brian erinnerte sie sich nicht.
Mittags verließ uns Sheriff Baker, um sich um einen häuslichen Streit auf Lady’s Island zu kümmern. Wir vereinbarten, uns um sechs Uhr wieder in seinem Büro zu treffen, und er hoffte, bis dahin nähere Informationen über das Anwesen an der Adler Lyons zu haben.
Ryan und ich kehrten im Sgt. White’s Diner ein und brachten dann den Nachmittag damit zu, Heidis Foto in der Stadt herumzuzeigen und die Leute nach der Kommune an der Adler Lyons Road zu fragen.
Um vier wußten wir zwei Dinge: Niemand hatte von Dom Owens und seiner Gefolgschaft gehört. Und niemand erinnerte sich an Heidi Schneider und Brian Gilbert.
Wir saßen in Ryans Mietwagen und blickten die Bay Street entlang. Rechts von mir betraten und verließen Kunden das Palmetto Federal Banking Center. Ich schaute auf die andere Straßenseite zu den Läden, die wir eben überprüft hatten. The Cat’s Meow. Stones and Bones. In High Cotton. Ja. In Beaufort hatte der Tourismus Einzug gehalten.
Es hatte aufgehört zu regnen, aber der Himmel war noch dunkel und schwer. Ich fühlte mich müde und mutlos und war mir nicht mehr sicher, ob es wirklich eine Verbindung zwischen Beaufort und St. Jovite gab.
Vor dem Lipsitz Department Store schwenkte ein Mann mit einem speckigen Hut und einem Gesicht wie Brotteig eine Bibel und predigte über Jesus. Der März war tote Saison für Straßenmissionare, und der Mann hatte die Bühne für sich allein.
Sam hatte mir von seinem Krieg gegen die ambulanten Prediger erzählt. Seit zwanzig Jahren kamen sie nun schon nach Beaufort, sie fielen in die Stadt ein wie Pilger auf der Hadsch. 1993 hatte er den Reverend Isaac Abernathy verhaften lassen, weil er Frauen in Shorts belästigte, sie als Huren beschimpfte und ihnen ewige Verdammnis androhte. Es wurden Prozesse gegen den Bürgermeister und die Stadt angestrengt, und die amerikanische Bürgerrechtsvereinigung warf sich zur Verteidigerin der Evangelisten auf, denn schließlich gehe es um das Grundrecht auf freie Religionsausübung und freie Meinungsäußerung. Derzeit stand der Fall zur Verhandlung vor dem Appellationsgericht in Richmond, und die Prediger kamen noch immer in die Stadt.
Ich hörte zu, wie der Mann über Satan und Heiden und Juden schwadronierte, und spürte, wie sich mir die Nackenhaare aufstellten. Ich habe etwas gegen Leute, die sich zum Sprachrohr Gottes oder zu seinem Stellvertreter aufschwingen, und es stört mich, wenn das Evangelium zu politischen Zwecken mißbraucht wird.
»Was halten Sie von unserer Südstaaten-Kultur?« fragte ich Ryan, ohne den Prediger aus den Augen zu lassen.
»Klingt nach einer guten Idee.«
»Na, na. Sie kennen Gandhi?« sagte ich und schaute ihn überrascht an.
»Einige Mordermittler können lesen.« Ich hörte eine gewisse Gereiztheit in seiner Stimme.
Schuldig, Brennan. Anscheinend ist der Reverend nicht der einzige mit kulturellen Vorurteilen.
Ich sah zu, wie eine alte Frau einen großen Bogen um den Prediger machte, und fragte mich, welche Art von Heil Dom Owens seinen Anhängern wohl versprach. Ich sah auf
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