Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
Ausdruck, den ich nicht deuten konnte.
»Ich würde Ihnen sehr gerne helfen. Wirklich. Vielleicht könnte ich bei unserem Erfahrungsaustausch heute abend mal herumfragen. Das sind die Treffen, bei denen wir Selbsterforschung und die Erweiterung des inneren Bewußtseins fördern. Es wäre der angemessene Rahmen.«
Mit unbewegtem Gesicht begegnete Ryan Doms Blick.
»Ich bin nicht sehr spirituell gestimmt, Mr. Owens, und es ist mir ziemlich egal, was Sie für die angemessene Zeit halten. Ich will Ihnen sagen, worum es mir geht. Wir wissen, daß diese Nummer von dem Haus angerufen wurde, in dem Heidi Schneider ermordet wurde. Ich weiß, daß das Opfer im letzten Sommer in Beaufort war. Und ich werde die Zusammenhänge herausfinden.«
»Ja, natürlich. Wie schrecklich. Es ist genau diese Art von Gewalt, die uns dazu gebracht hat, so zu leben, wie wir es tun.«
Er schloß die Augen, als würde er um göttliche Führung bitten, öffnete sie dann wieder und sah jeden einzelnen von uns eindringlich an.
»Ich will es Ihnen erklären. Wir züchten unser eigenes Gemüse, halten Hühner für die Eier, wir fischen und sammeln Muscheln. Einige unserer Mitglieder arbeiten in der Stadt und bringen ihren Lohn in die Gruppe ein. Wir haben ein Glaubenssystem, das uns zwingt, die Gesellschaft abzulehnen, aber wir wollen anderen nichts Böses. Wir leben einfach und still.«
Er atmete tief durch.
»Wir haben einen Kern von altgedienten Mitgliedern, aber es gibt auch viele, die kommen und gehen. Unser Lebensstil ist nichts für jeden. Es ist möglich, daß Ihre junge Frau bei uns zu Besuch war, vielleicht während meiner Abwesenheit. Sie haben mein Wort – ich werde mit den anderen reden«, sagte Dom.
»Ja«, erwiderte Ryan. »Und ich ebenfalls.«
»Natürlich. Und bitte lassen Sie es mich wissen, falls ich sonst noch was für Sie tun kann.«
In diesem Augenblick stürmte eine junge Frau durch die Gittertür, ein Kleinkind auf der Hüfte. Sie lachte und kitzelte den Jungen. Er kicherte und patschte mit seinen Wurstfingerchen nach ihr. Malachys blasse kleine Hände kamen mir in den Sinn.
Als die Frau uns sah, zog sie die Schultern hoch und schnitt eine Grimasse.
»Ups. ‘tschuldigung«, lachte sie. »Ich wußte nicht, daß jemand hier ist.« Der Kleine schlug ihr auf den Kopf, und sie kitzelte ihm den Bauch. Er kreischte und strampelte.
»Komm rein, Kathryn«, sagte Dom. »Ich glaube, wir sind hier fertig.«
Er sah Baker und Ryan fragend an. Der Sheriff nahm seinen Hut, und wir standen auf.
Das Kind drehte sich nach Doms Stimme um, sah ihn und begann zu zappeln. Als Kathryn ihn absetzte, trippelte er mit ausgestreckten Armen auf ihn zu, und Dom bückte sich, um ihn aufzuheben. Die Arme des Jungen lagen milchig weiß um Doms sonnenverbrannten Hals.
Kathryn kam zu uns.
»Wie alt ist Ihr Baby?« fragte ich.
»Vierzehn Monate. Nicht, Carlie?« Sie streckte einen Finger aus, und Carlie griff danach und breitete dann die Arme aus. Dom gab den Kleinen seiner Mutter zurück.
»Entschuldigen Sie uns«, sagte Kathryn. »Ich muß ihm die Windeln wechseln.«
»Darf ich Ihnen noch eine Frage stellen, bevor Sie gehen?« Ryan zog das Foto wieder heraus. »Kennen Sie die beiden?«
Kathryn hielt das Foto so, daß Carlie nicht drankam, und betrachtete die Gesichter. Ich musterte Doms Gesicht. Sein Ausdruck veränderte sich nicht.
Kathryn schüttelte den Kopf und gab das Foto zurück. »Nein.
Tut mir leid.« Sie fächelte sich Luft zu und rümpfte die Nase. »Ich muß gehen.«
»Die Frau war schwanger«, sagte Ryan.
»Tut mir leid«, sagte Kathryn.
»Ihr Baby ist wunderschön«, sagte ich.
»Danke.« Sie lächelte und verschwand im hinteren Teil des Hauses.
Dom sah auf die Uhr.
»Wir melden uns wieder«, sagte Baker.
»Ja. Gut. Und viel Glück.«
Kurz darauf saßen wir wieder im Auto und betrachteten das Anwesen. Ich hatte mein Fenster heruntergekurbelt, Dunst wehte herein und legte sich auf mein Gesicht. Die Erinnerung an Malachy hatte mich traurig gemacht, und das feuchte, graue Wetter war ein Spiegel meiner Stimmung.
Ich schaute die Straße in beiden Richtungen entlang und dann noch einmal zum Haus zurück. In einem Gemüsegarten hinter dem Bungalow sah ich Leute arbeiten, Samenpäckchen auf Stöcken markierten die einzelnen Beete. Ansonsten waren keine Lebenszeichen zu entdecken.
»Was halten Sie davon?« fragte ich keinen im besonderen.
»Wenn sie seit acht Jahren hier sind, haben sie sich sehr bedeckt gehalten«,
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