Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
Seine Uniform machte deutlich, daß es sich nicht um einen Höflichkeitsbesuch handelte. »Dürfen wir reinkommen?«
»Warum?«
»Wir würden Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
»Fragen?«
»Wohnen Sie hier?«
Hillbilly nickte.
»Dürfen wir reinkommen?«
»Brauchen Sie dazu nicht einen Durchsuchungsbefehl oder so was?«
»Nein.«
Ich hörte eine Stimme, und Hillbilly drehte den Kopf und rief etwas über die Schulter. Kurz darauf trat eine Frau mittleren Alters mit breitem Gesicht und dauergewelltem Haar neben ihn. Sie hatte ein Baby auf dem Arm und klopfte und streichelte ihm abwechselnd den Rücken. Das Fleisch an ihrem Oberarm schwabbelte bei jeder Bewegung.
»Da ist ein Bulle«, sagte er zu ihr und trat zurück.
»Ja?«
Noch einmal derselbe B-Movie-Dialog, diesmal zwischen Baker und der Frau. Dann sie:
»Im Augenblick ist niemand da. Sie müssen ein andermal wiederkommen.«
»Sie sind doch hier, Ma’am.«
»Wir sind mit dem Baby beschäftigt.«
»Wir gehen hier nicht weg, Ma’am«, sagte der Sheriff von Beaufort County.
Die Frau verzog das Gesicht, schob sich das Baby ein Stückchen höher auf die Schulter und stieß die Gittertür auf. Ihre Schlappen machten leise patschende Geräusche, als wir ihr über die Veranda und in eine kleine Diele folgten.
Das Haus war düster und roch leicht säuerlich, wie Milch, die über Nacht in einem Glas stehengelassen wurde. Direkt vor uns führte eine Treppe in den ersten Stock, links und rechts öffneten sich Durchgänge in große Zimmer voller Sofas und Sessel.
Die Frau führte uns in das Zimmer auf der linken Seite und deutete auf eine Rattan-Sitzgruppe. Als wir uns setzten, flüsterte sie Hillbilly etwas zu, und er verschwand nach oben. Sie setzte sich zu uns.
»Ja?« fragte sie leise und sah von Baker zu Ryan.
»Mein Name ist Harley Baker.« Der Sheriff legte seinen Hut auf den Couchtisch und beugte sich, die Hände auf den Oberschenkeln, die Arme abgespreizt, nach vorne. »Und Sie sind?«
Sie legte einen Arm um den Rücken des Babys, stützte den Kopf mit der Hand und hob in einer abwehrenden Geste die andere. »Ich will nicht unhöflich sein, Sheriff, aber ich muß wissen, was Sie wollen.«
»Wohnen Sie hier, Ma’am?«
Sie zögerte kurz und nickte dann. Ein Vorhang am Fenster hinter mir bewegte sich, und ich spürte eine feuchte Brise im Nacken.
»Wir interessieren uns für gewisse Anrufe, die dieses Haus erreichten«, fuhr Baker fort.
»Telefonanrufe?«
»Ja, Ma’am. Im letzten Herbst. Waren Sie in dieser Zeit hier?«
»Es gibt hier kein Telefon.«
»Kein Telefon?«
»Nur ein Bürotelefon. Keins, das wir benutzen können.«
»Verstehe.« Er wartete.
»Wir bekommen keine Anrufe.«
»Wir?«
»Wir sind neun Leute in diesem Haus, vier nebenan. Und natürlich die Wohnwagen. Aber wir telefonieren nicht. Es ist nicht erlaubt.«
»Nicht erlaubt?«
»Wir sind eine Gemeinschaft. Wir leben sauber und machen keine Probleme. Keine Drogen, nichts in der Richtung. Wir bleiben für uns und folgen unserem Glauben. Das ist doch nicht gegen das Gesetz, oder?«
»Nein, Ma’am, ist es nicht. Wie groß ist Ihre Gruppe?«
Sie überlegte einen Augenblick. »Insgesamt sind wir hier sechsundzwanzig.«
»Wo sind die anderen?«
»Einige sind arbeiten gegangen. Diejenigen, die sich integrieren. Der Rest ist beim Morgentreffen nebenan. Jerry und ich passen auf die Babys auf.«
»Sind Sie eine religiöse Gruppe?« fragte Ryan.
Sie sah ihn an und dann wieder Baker.
»Wer sind die beiden?« Sie deutete mit dem Kinn auf Ryan und mich.
»Das sind Beamte des Morddezernats.« Der Sheriff sah sie mit hartem, ernstem Gesicht an. »Was für eine Gruppe sind Sie, Ma’am?«
Sie spielte mit der Decke des Babys. Irgendwo in der Ferne hörte ich einen Hund bellen.
»Wir wollen keine Probleme mit dem Gesetz«, sagte sie. »Das können Sie mir glauben.«
»Befürchten Sie ein Problem?« Ryan.
Sie warf ihm einen merkwürdigen Blick zu und sah dann auf ihre Uhr. »Wir sind Leute, die nur nach Frieden und Gesundheit streben. Wir haben genug von all den Drogen und den Verbrechen, deshalb leben wir hier draußen ganz für uns. Wir tun niemandem etwas. Mehr habe ich nicht zu sagen. Reden Sie mit Dom. Er wird bald hier sein.«
»Dom?«
»Er kann Ihnen mehr sagen.«
»Das wäre gut.« Bakers dunkle Augen durchbohrten sie noch einmal. »Ich will doch nicht, daß jeder von Ihnen die lange Fahrt in die Stadt machen muß.«
In diesem Augenblick hörte ich Stimmen und
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