Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
kurzem umgebaut«, wendet sich Benton an mich, ohne auf Douglas Burke zu achten. Ich merke es ihm genau an, wenn er gleich vor Wut platzt. »Ein zweiter Sicherungskasten, für den man keinen Code braucht. Im Keller.«
»Was hängt daran?« Die Katze reibt sich schnurrend an meinem Bein.
»Nichts. Im Hauptsicherungskasten sind keine Automaten mehr frei. Anscheinend wurde das von einem Handwerker, möglicherweise einem Elektriker, erledigt, doch die Arbeit ist mangelhaft. Offenbar wollte sie etwas installieren lassen, was eine Sicherung braucht.« Benton würdigt Burke keines Blickes und kehrt ihr praktisch den Rücken zu. »Von diesem zweiten Kasten verläuft ein Kabel die Wand entlang zu einer neuen Steckdose.«
»Wann genau wurde der eingebaut?«, fragt Burke. Machado antwortet zwar, spricht jedoch nicht mit ihr.
Er erklärt mir, im Keller gebe es eine Werkstatt mit einem großen Tisch, Pinseln, Ausstechformen, Holzutensilien und einem Nudelholz.
»Als ob sie dort unten gebacken hätte«, sagt er und beschreibt ein bewegliches Becken auf Rollen. Ich verstehe nicht ganz, was er meint.
»Ein mobiles Waschbecken?«, wundere ich mich. »Mit einem Wasserhahn? Warum sollte sie im Keller backen und nicht in der Küche?«
»Es ist eher eine Plastikschüssel auf einem Ständer mit Rädern. Ich zeig es Ihnen, wenn Sie möchten«, erbietet sich Machado.
»Ja, nachdem ich das hier ausgezogen habe.« Damit meine ich die Schutzkleidung. »Anscheinend hat sie nichts dagegen, dass ich sie im Arm halte. Also wird sie uns sicher nicht daran hindern nachzuschauen. Gibt es eine Kellertür, die nach draußen führt?«
»Dort sind die Feuerwehrleute reingekommen.«
»Dann gehen wir runter und von da aus raus.«
»Das Becken oder die Schüssel scheint ziemlich neu zu sein. Es ist dort, wo auch der neue Sicherungskasten ist.« Er schlüpft in saubere Überschuhe. »Darum liegen jede Menge Kabelenden herum. Schwarz, weiß, Kabel Dicke sechs, wie man sie für Strom, Masse und Erde benutzt«, erklärt er. »Doch, was immer sie auch vorhatte, sie ist offenbar nicht mehr dazu gekommen. Ich finde auch, dass es ein komischer Ort ist, um Plätzchen oder sonst irgendwas zu backen. Wir müssen rauskriegen, wer die Elektroarbeiten gemacht hat.«
Sechsundzwanzig
Der Regen hat aufgehört. Die Nacht ist feuchtkalt, als ich allein, nur in Begleitung der Katze, nach Hause fahre.
Benton hat Burke gebeten, ihn am CFC abzusetzen, damit er sein Auto holen kann. Allerdings bezweifle ich, dass das der wahre Grund ist. Es wird zu einer Auseinandersetzung kommen. Er wird ihr unmissverständlich mitteilen, was er davon hält, wenn sie Pseudoephedrin, also Speed, nimmt und mich aggressiv angeht. Zum Teufel mit ihren Allergien. Sie hat eine Grenze überschritten. Welche Gründe sie dafür hatte, interessiert mich einen Dreck. Und bei ihm wird es genauso sein. Was er mitgehört hat, hat ihn wütend gemacht, und das mit gutem Grund.
Es ist ja nicht so, als ob ich kein Verständnis dafür hätte, dass Burke sich über Marino informieren muss. Allerdings wäre ich als Ermittlerin an ihrer Stelle nicht so forsch aufgetreten. Das war nicht richtig, Schikane und Nötigung. Es gibt nur eine Antwort auf die Frage, woher sie das Wissen hatte, das sie brauchte, um mir die Pistole auf die Brust zu setzen. Sie muss mit Benton gesprochen haben, und ich bin sicher, dass er nicht anders konnte, als ihr die Wahrheit zu sagen. Natürlich durfte er nicht lügen oder ausweichend antworten, halte ich mir vor Augen. Und ich kann es ihm nicht zum Vorwurf machen, dass er ehrlich war. Also konnte er nicht guten Gewissens behaupten, Marino hätte noch nie eine Neigung zur Gewalt – insbesondere sexueller Gewalt – gezeigt, denn das entspräche nicht den Tatsachen.
Es sind die hässlichen Einzelheiten, die Burke rein gar nichts angehen. Sie hatte nicht das Recht, mich auf diese voyeuristische Weise zu verhören, mich zu demütigen und mich zu überrumpeln. Sie hat sich genauso verhalten wie Marino damals, und das ist es, was mir Sorgen macht. Ich grüble über ihre Beweggründe nach. Außerdem erstaunt es mich, wie Ereignisse so weit in die Vergangenheit zurückreichen können, dass sie um die Kurve biegen und plötzlich wieder vor einem stehen. Nun habe ich das, was Marino vor fünf Jahren getan hat, direkt vor meiner Nase, so nah, dass ich es berühren kann. Ich kann es hören und riechen wie einen posttraumatischen Flashback. Ertaubte Nerven sind noch einmal zum Leben
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