Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
erwacht und prickeln schmerzhaft, während ich jetzt im Auto sitze. Ich werde es überstehen, doch verzeihen werde ich Douglas Burke niemals. Ich werfe ihr vor, mir mutwillig und ohne Not weh getan zu haben, obwohl es völlig überflüssig und außerdem ungehörig war. Und das einzig und allein aus Rechthaberei.
Ich folge der Massachusetts Avenue zum Harvard Square. Die Katze liegt, auf einem Handtuch zusammengerollt, auf meinem Schoß. Es stört mich, dass ich ihren Namen nicht kenne. Das Bedürfnis, ihn in Erfahrung zu bringen, ist übermächtig, denn schließlich heißt sie schon seit einer geraumen Weile so, seit sie ein kleines Kätzchen war, und ich möchte sie nicht anders ansprechen. Sie hat schon genug durchgemacht.
Wer weiß, was sie draußen bei Wind und Wetter alles erdulden musste. Sicher war sie einsam, hungrig und unglücklich. Ich stelle mir vor, wie Peggy Stanton die Näpfe in der Küche mit Futter und Wasser füllt. Ich sehe vor mir, wie sie Handtasche und Schlüssel nimmt und das Haus verlässt, und zwar in der vollen Absicht zurückzukommen. Doch als sich die Tür das nächste Mal öffnete, war es nicht sie.
Ein Fremder hat ihren Schlüssel benutzt und das Haus, wahrscheinlich durch die Küchentür, betreten, um nicht von Nachbarn oder Passanten beobachtet zu werden. Diese Person hat sie auf noch ungeklärte Weise entführt und getötet. Dann hat der Unbekannte den Alarmcode eingeben, ist von Zimmer zu Zimmer gegangen und hat in manchen davon Licht gemacht. Auch die Blumen beschäftigen mich weiterhin, ebenso wie die Frage, von wem sie stammen. Auch der Autoschlüssel in der Lalique-Schale, wo der Täter ihn meiner Ansicht nach absichtlich hinterlegt hat, passt nicht ins Bild.
Wer sollte ihn finden?
Blumen ohne Karte. Frische Blumen, die nicht weggeworfen wurden. Sämtliche verderblichen Lebensmittel in der Küche wurden entsorgt, nicht jedoch die Blumen. Das will mir ebenso wenig aus dem Kopf wie der Schlüssel in der Nähe einer Tür, die der Täter wahrscheinlich nie benutzt hat.
Für wen wurde all das so hinterlassen?
Ich entsperre mein Telefon und rufe Sil Machado an, weil ich mich bei Marino nicht melden darf.
»Ich bin es, Dr. Scarpetta.«
»Was für ein Zufall.«
»Warum Zufall?«
»Was gibt es, Doc?«
»Mich lässt das Auto in der Garage nicht los.« Ich fahre nach Norden in Richtung Porter Square.
»Das steht bereits wohlbehalten in Ihrer Anlieferungszone. Warum? Was ist los?«
»Sind Sie sicher, dass der im Haus gefundene Schlüssel wirklich ihrer war?«, erkundige ich mich.
»Ja, ich habe die Fahrertür damit aufgeschlossen, nur um mal kurz reinzuschauen. Aber ich habe nichts angefasst und auch nicht versucht, den Wagen zu starten.«
»Sehr gut. Und was ist mit dem Schlüsselring?«
»Ich habe Schlüssel und Schlüsselring, ja.«
»Die würde ich mir gern mal ansehen.«
»Nur ein Schlüssel, mit Karabinerhaken und einem alten schwarzen Kompass. Der könnte vielleicht einem der kleinen Mädchen gehört haben«, erwidert er. »Ein Pfadfinderinnenkompass. Möglicherweise waren ihre Töchter ja bei den Pfadfindern. Oder eher den Wichteln. In welchem Alter wechseln Mädchen von den Wichteln zu den Jung-Pfadfindern?«
»Wir wissen nicht, ob ihre Töchter Wichtel oder Pfadfinderinnen waren?«
»Der Kompass stammt eindeutig von den Pfadfinderinnen.«
»Ich halte es für möglich, dass der Täter mit ihrem Wagen zurück zum Haus gefahren ist, ihn in die Garage gestellt und dann den Schlüssel an den Fundort gelegt hat, weil er nicht wusste, wo sie ihre Schlüssel normalerweise aufbewahrt«, erkläre ich ihm. »Denn vermutlich hat er sie nicht gekannt. Noch wichtiger aber ist, dass er den Schlüssel vielleicht aus einem bestimmten Grund hinterlegt hat. Es könnte symbolisch gemeint gewesen sein.«
»Das ist interessant.«
»Wahrscheinlich war er noch nie zuvor im Haus und hat es erst nach ihrem Tod betreten«, fahre ich fort. »Doch das darf sich auf keinen Fall herumsprechen. Ich wollte es Ihnen nur sagen, weil er bestimmt gar nicht ahnt, dass jemand diesen Verdacht schöpfen könnte.«
»Soll das heißen, er war noch einmal im Haus?«
»Das soll heißen, dass er überhaupt dort war. Auch wenn es nur ein einziges Mal gewesen ist.«
»Interessant, dass Sie das sagen. Ich habe mir gerade die Unterlagen der Alarmanlagenfirma besorgt. Abgesehen von der Feuerwehr, die die Tür mit einem Hooligan aufgebrochen hat« – er meint ein Halligan-Tool, eine besondere Form von
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