Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
irgendwann auf ihn zu sprechen kommen wird, und zwar wegen ihres Verhaltens, als er vorhin mit seinem Karren voller Kartons in ihrem Büro erschienen ist.
»Der steckt also ganz bestimmt nicht dahinter«, fügt sie hinzu.
»Doch offenbar hat er etwas angestellt.« Ich warte darauf, dass sie es mir eröffnet, und frage mich gleichzeitig, warum es so schwierig ist, vertrauenswürdige Mitarbeiter zu finden.
»Du solltest aufpassen, was du in seiner Gegenwart sagst, und darauf achten, dass er nicht zu viel mitkriegt.« Lucy erklärt mir, sie misstraue Toby seit einigen Wochen, und zwar etwa seit dem Zeitpunkt, als der Prozess gegen Channing Lott anfing.
Sie sei Toby in Teilen des Gebäudes über den Weg gelaufen, wo er eigentlich nichts zu suchen hat. Zum Beispiel lungerte er in der Poststelle herum, wo er Päckchen abholte, um einen Vorwand zu haben, im Computerlabor, in verschiedenen Büros, im Anlieferungsbereich, in Autopsiesälen, in Konferenzräumen, in Garderoben und im Pausenraum. Außerdem blättert er oft im Eingangsbuch am Empfang, ergänzt sie. Anscheinend sei er neugierig, welche Leichen eingeliefert oder abgeholt werden, insbesondere, wenn es sich um nichtidentifizierte Tote oder um Fälle handelt, die während seiner Freizeit hereingekommen sind.
»Das fand ich seltsam«, meint Lucy. »Anfangs dachte ich, es liege an Marino, weil der den elektronischen Kalender vernachlässigt, hier übernachtet und seine Installationen bastelt. Ich habe geglaubt, Toby könnte vielleicht Karrierechancen wittern. Doch in Wirklichkeit hat er nur Gründe gesucht, sich in Räumen herumzudrücken, wo Sitzungen stattfinden, Leute miteinander sprechen und Informationen offen einsehbar herumliegen.«
Sie fügt hinzu, sie habe nach der besorgniserregenden Mail vom Sonntag beschlossen, Toby unter die Lupe zu nehmen. Toby kann ohne seinen Kartenschlüssel, in den ein RFID -Chip eingelassen ist, keinen Raum im CFC betreten, nicht einmal die Ermittlungsabteilung. Außerdem sind alle unsere Fahrzeuge mit GPS ausgestattet. Doch offenbar hat Toby nicht damit gerechnet, dass sie sich mit ihm befassen würde.
»Wahrscheinlich ist er nicht auf die Idee gekommen, dass ich das Band zurückspulen und nachschauen könnte, was die Kameras und die GPS -Ortungsgeräte in den Autos so alles aufgezeichnet haben«, sagt sie. Ich erinnere mich, dass ich Toby gestern auf dem Überwachungsmonitor beobachtet habe, während er sich in der Anlieferungszone aufhielt.
Er schien mit jemandem am Telefon zu streiten. Etwas daran ist mir eigenartig, ja, sogar verdächtig vorgekommen. Offenbar lag ich mit meinem Instinkt richtig.
»Er hat alle möglichen Bereiche betreten, wo er nichts verloren hat«, fährt Lucy fort. »Dein Büro. Lukes Büro.«
»Er kann die Tür zu meinem Büro nicht öffnen.« Man kommt dort nicht mit einem Kartenschlüssel herein, und ich trage auch keinen an einem Band um den Hals.
Ich kann alle Türen im Gebäude entriegeln, indem ich meinen Daumen über das Schloss halte. Lucy, Bryce und ich sind die Einzigen hier, die den Generalschlüssel haben, wie ich es nenne, und zwar einen biometrischen.
»Wenn du hier bist, steht deine Tür normalerweise sperrangelweit offen. Oder die von Bryce«, wendet Lucy ein. »Er macht seine Tür nie zu, ebenso wenig wie die Verbindungstür zwischen seinem Büro und deinem. Also braucht Toby nur einen Vorwand zu finden, irgendetwas abzugeben oder nachzusehen, eine Frage zu stellen oder eine Nachricht zu überbringen. Er erbietet sich, etwas Essbares zu besorgen. Oder er spaziert einfach herein, wenn er glaubt, dass es niemand bemerkt.«
Ich stehe auf und greife nach dem Telefon, als Lucy verkündet, die Geschworenen hätten ihre Beratungen beendet. Im ersten Moment glaube ich, dass sie noch von Toby spricht und meint, jetzt sei entschieden, was wir seinetwegen unternehmen müssen. Dann jedoch wird mir klar, dass ich sie falsch verstanden habe.
»Es steht überall im Internet«, fügt sie hinzu, während ich die Nummer des Autopsiesaals wähle. »Die Geschworenen haben den Gerichtssaal verlassen, und die Presse ist sicher, dass sie ihn freisprechen werden.«
Ich erreiche Luke und bitte ihn, Howard Roths Kleidung in die ID -Abteilung zu bringen und mir alle Fotos zu mailen. Ich würde gleich nach unten kommen.
»Könnte Toby das nicht erledigen? Er ist hier. Vielleicht kann er …?« Luke ist gerade beschäftigt.
»Nein, ich will, dass du das persönlich erledigst und die Tür abschließt.
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