Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
Tor des CFC stoppen. Mein Telefon läutet.
Bryce.
»Man folgt einem Betrunkenen, der nie die Tür abschließt, bis nach Hause.« Benton drückt auf die an seiner Sonnenblende befestigte Fernbedienung.
Was mag Bryce wollen, das nicht warten kann, bis ich im Gebäude bin? Er weiß von meiner Ankunft, denn er sieht uns auf dem Monitor auf seinem Schreibtisch sowie auf fast allen anderen Bildschirmen im ganzen Haus. Ich drücke auf
Annehmen.
»Beobachten und auf der Lauer liegen.« Benton fährt aufs Gelände. »Sich gedulden, bis er ein paar Liter intus hat und im Sessel einschläft. Wahrscheinlich hat er gar nichts mitgekriegt.«
»Ich komme gerade an.«
»O mein Gott, ich habe Neuigkeiten für dich.« Er ist so aufgekratzt, dass ich das Telefon leiser stellen muss.
»Inzwischen müssten einige Leute für uns da sein …«, setze ich an.
»Ach, du hast sie erwartet? Oje, und ich habe sie in der Vorhalle schmoren lassen.«
»
Was
hast du?«
»Ich bin total verliebt in die Katze. Die kleine Shaw ist kerngesund.« Er schnurrt beinahe in den Hörer. »Okay, Moment, ich rufe rasch Ron auf dem Mobiltelefon an. Tut mir leid. Es wäre nett, wenn du mir vorher Bescheid sagen könntest. Mein Gott. Ron? Begleiten Sie die Besucher bitte sofort nach oben. Ich wusste nicht, dass sie einen Termin haben. Hier verrät mir ja niemand etwas.
Ich muss mich entschuldigen, aber könntest du mich in Zukunft vorab informieren?« Inzwischen spricht Bryce wieder mit mir. Und ich komme nicht zu Wort. »Nun, Shaw ist topfit. Ein bisschen Hauttrockenheit und Blutarmut. Der Tierarzt findet, sie sollte nicht die ganze Zeit allein bleiben, weil sie es gewöhnt war, ständig mit jemandem zusammen zu sein, bis diese schreckliche Sache passiert ist. Ganz zu schweigen von dem Trauma, das sie erlitten hat. Ethan arbeitet ja drei Tage in der Woche von zu Hause aus. Ich finde, wir sollten sie behalten, insbesondere nach dem Drama mit Indy, der es inzwischen wieder gutgeht, danke für die Nachfrage …«
»Bryce!«, unterbreche ich ihn zum dritten Mal.
»Was?«
»Welcher Teufel hat dich geritten, das FBI in der Vorhalle warten oder vom Sicherheitsdienst nach oben begleiten zu lassen?«, frage ich.
»Nein. O nein, das sind nicht die beiden weiblichen Agents. Weit gefehlt. Mein Gott, ich habe ja nicht geahnt … jetzt sind sie im Besprechungszimmer. Woher sollte ich denn wissen … ?« Er klingt völlig konfus. »Moment, ich muss ihn aufhalten. Ron! Bringen Sie sie nicht nach oben. Sind Sie noch bei ihnen? Mist!«, ruft er aus.
Vierunddreißig
Es ärgert mich zwar, dass er ohne Termin und unangekündigt im CFC auftaucht, aber ich kann ihm das Gespräch nicht verweigern. Also beschließe ich, dass Channing Lott und seine Begleiter nach oben vorgelassen werden sollen.
»Gib mir kurz Zeit zum Ankommen«, weise ich Bryce telefonisch an. »Setz sie in den Pausenraum und besorg ihnen Wasser und Kaffee. Ich habe nur ein paar Minuten Zeit für sie. Bitte erkläre ihnen, dass ich zu spät zu einem Termin komme. Ich schicke dir eine SMS , sobald ich fertig bin. Dann kannst du sie in mein Büro bringen.«
Ich drücke auf den Aufzugsknopf. Dabei weiß ich schon, was Benton verlangen wird, aber das kommt nicht in Frage.
»Kay, ich sollte bei dir sein …«, beginnt er, doch ich lasse ihn nicht ausreden.
Stattdessen schüttle ich den Kopf. »Es gehört sich nicht, dass du dabeisitzt, wenn er etwas mit mir zu bereden hat. Und zwar ebenso wenig wie bei jedem anderen Angehörigen eines Verstorbenen. Er ist der Ehemann einer Frau, deren Tod ich untersuche.«
»Ihre Leiche wurde nicht gefunden. Es ist nicht dein Fall.«
»Man hat mich ihretwegen zu Rate gezogen, und das weiß er. Außerdem habe ich in dem Prozess gegen ihn ausgesagt, und deshalb ist sie für ihn mein Fall. Mein Gott, jemand muss sich doch verantwortlich für sie fühlen, denn dass sie noch lebt, ist höchst unwahrscheinlich. Seien wir doch mal ehrlich: Sie ist genauso tot wie Emma Shubert.«
»Um diese Verbindung herzustellen, fehlen dir die Fakten.« Seine Ausdrucksweise ist sehr vielsagend.
»Ich spüre es, wenn ein Mensch nie wieder zur Tür hereinkommen wird, Benton.« Ich mustere ihn forschend. »Die beiden Frauen sind tot.«
Er schweigt, weil er das auch glaubt. Offenbar verheimlicht er mir etwas. Ich denke an die Sitzung, zu der ich nun zu spät kommen werde. Doch sie wird warten müssen.
»Was, wenn Channing Lott wirklich nichts mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun hat
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