Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
Gefriertruhe liegt? Dann hat er vielleicht keine mehr.«
»Anders als die Leichenstarre verschwinden Totenflecken niemals vollständig. Es bleiben immer verräterische Spuren zurück.« Ich mustere sie von Kopf bis Fuß, nehme mir Zeit, die ich nicht habe, und bewege auf meiner Suche nach auch nur der Andeutung einer Spur, entstanden dadurch, dass das Blut sich nach dem Versagen des Kreislaufs wegen der Schwerkraft gesetzt hat, die Lampe über dem Tisch hin und her.
»Irgendwann habe ich sie für fünfhundert Dollar verkauft. Ein Jammer, dass ich sie nicht mehr habe. Inzwischen wäre sie sicher mehr wert.« Marino spricht weiter über seine Schatzsuche. »Außerdem habe ich in Dinwiddie eine zweiteilige Schließe von einer Konföderiertenuniform gefunden. Dafür hätte ich zwei Riesen kriegen können, wenn ich nicht dringend Cash gebraucht hätte, weil Doris abgehauen ist und mich mit einem Haufen Schulden sitzengelassen hat. Wahrscheinlich ist sie noch immer mit diesem Arschloch von einem Autohändler zusammen, nur dass er, glaube ich, inzwischen Lebensversicherungen verkauft.«
»Vielleicht solltest du dich ja mal erkundigen.«
»Einen Teufel werd ich tun. Sie ist eine richtige Unternehmerin geworden«, höhnt er. »Überzieht Backsteine mit Stoff und verhökert sie als Türstopper. Das ist kein Scherz. Stell dir das mal vor. Das ist doch irgendwie ein Symbol, was? Ein Ding, das einem im Weg rumsteht, ein Hindernis, eine Stolperfalle. Natürlich sieht sie das ganz anders.«
»Vielleicht solltest du mit ihr reden und herausfinden, wie sie es wirklich sieht.«
»Das kann man im Internet nachlesen«, schimpft er. »Sesam öffne dich. Der Name ihrer Website.
Ich halte Ihre Welt offen für unzählige Möglichkeiten.
Nicht zu fassen.«
Typisch, dass er anfängt, über seine Exfrau zu reden, wenn wir überhaupt keine Zeit dafür haben. Als ich die Leiche auf die linke Seite drehe, ist sie so leicht, dass sie sich hohl anfühlt.
»Mit historischem Kram wie Knöpfen, Medaillen und alten Münzen kann man viel Geld verdienen. Aber man darf den Respekt nicht vergessen.« Er ist wieder bei seinem ursprünglichen Thema. »Man näht keinen antiken Knopf von einer Militäruniform an eine dämliche Jacke oder einen Mantel, weil es so furchtbar schick ist.«
»Hier siehst du es. Ein Livormuster aus hämolysiertem Blut.« Ich drücke mit dem Finger auf verschiedene Stellen am Rücken. »Keine Weißfärbung, weil das Blut durch die Gefäßwände gesickert ist. Also lag sie nach ihrem Tod flach auf dem Rücken, und zwar mindestens so lange, wie Totenflecken brauchen, um sich zu bilden, das heißt, etwa zwölf Stunden, vielleicht auch länger. Möglicherweise hat sie ja die ganze Zeit seit ihrem Tod auf dem Rücken verbracht, wurde irgendwo aufbewahrt, bis sie jemand abtransportiert und in die Bucht geworfen hat.«
»Man bringt doch eine Jacke mit Knöpfen im Wert von tausend Dollar daran nicht in die Reinigung.« Er kann einfach nicht damit aufhören. »Aber eigentlich geht es nicht ums Geld.«
»Leichte Mumifizierung, Haut nass, jedoch hart und eingetrocknet, mit den Resten weißer Schimmelflecken an Gesicht und Hals«, diktiere ich, und Marino schreibt mit. »Augen tiefliegend und eingesunken.« Ich öffne ihren Mund. »Wangen eingesunken.« Ich nehme einen Abstrich. »Keine Verletzungen an Lippen, Zunge oder Zähnen«, fahre ich fort, nachdem ich das mit einer Lampe überprüft habe. »Hals frei von leichten Verfärbungen.« Ich schaue auf die Uhr an der Wand.
Es ist elf Minuten nach zwei. Ich lasse den Blick abwärts über die Leiche schweifen und sehe weitere Anzeichen einer leichten Mumifizierung, jedoch keine Verletzungen. Dann breite ich ihre Beine auseinander und bitte Marino, mir ein
Physical Evidence Recovery Kit,
ein sogenanntes PERK , zu bringen, das von Polizisten auch Vergewaltigungs-Testset genannt wird. Neugierig schaue ich ihm nach, als er zum Schrank geht. Zorn und Empörung malen sich in seinem Gesicht, als hätte die Tote ihm persönlich etwas getan.
»Wir werden auf jeden Fall Fotos von Knöpfen und Schmuck an NamUs mailen«, verkünde ich. »Die Gegenstände sind so ungewöhnlich, dass sie uns vielleicht weiterhelfen. Insbesondere, wenn es nicht üblich ist, antike Knöpfe an Kleidungsstücke zu nähen.«
»Es ist eine verdammte Respektlosigkeit.«
Er reicht mir ein Spekulum aus Plastik und öffnet den weißen Pappkarton des PERK .
»Solche Dinge findet man nämlich normalerweise deshalb, weil der
Weitere Kostenlose Bücher