Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
benutzen wir immer Zwiebelpulver, was sowieso viel besser ist, weil keine Möglichkeit besteht, dass auch nur ein winziges Stückchen davon auf dem Boden landet.« Seine Augen werden feucht.
»Habt ihr Zwiebelpulver ins Chili getan?« Ich gehe mit Kostüm und Bluse ins Bad und hänge beides an die Tür der Dusche.
»Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, an unseren Kochkünsten herumzumäkeln.« Seine Stimme zittert.
»Ich hatte während meines Jurastudiums einen Kater. Der hat manchmal die Nahrung verweigert …«
»Manchmal sind sie sehr empfindlich. Er war sicher sauer auf dich.«
»Ein Tierarzt hat mir vorgeschlagen, ihm Gläschen mit Babynahrung zu verfüttern. Und offenbar war Zwiebelpulver darin, was genauso giftig wirken kann wie frische Zwiebeln, weil es das Hämoglobin oxidiert …«
»O mein Gott, ist er gestorben?«
»Nein. Du solltest es aber dem Tierarzt gegenüber erwähnen. Und jetzt geh bitte, damit ich mich umziehen kann.«
»Es war nur so ein Schock.«
»Gut, dann ziehe ich mich eben trotzdem um.« Ich stelle die Schuhe auf den Toilettendeckel.
»Du solltest wissen, dass bei uns ständig Reporter anrufen.«
Seine Stimme ist laut. Leider kommt sie von der Türschwelle zwischen meinem Büro und seinem. Ich öffne den Reißverschluss des grauen Schutzanzugs, schlüpfe rasch hinaus und lasse ihn einfach auf dem Badezimmerboden liegen.
»Auch mein Mobiltelefon läuft heiß, offenbar haben einige Reporter meine Nummer. Es wird wild spekuliert, die alte Dame, die du aus der Bucht geholt hast, könnte Mildred Lott sein …«
»Dafür gibt es keinerlei Hinweise.« Ich halte einen Waschlappen unter den Heißwasserhahn und säubere mich notdürftig. Duschen kommt natürlich jetzt nicht mehr in Frage.
»Soll ich dir was sagen? Es wird sogar gemutmaßt, jemand habe sie die ganze Zeit über als Geisel festgehalten. Sie könnte ihr Verschwinden im Frühling auch nur vorgetäuscht und sich versteckt haben und habe sich dann ertränkt. Du solltest die Theorien mal hören.«
»Ich habe keinen Grund zu der Annahme, dass sie es ist.« Ich krame eine neue Strumpfhose aus dem Schrank und ziehe sie an.
»Und das hieße, dass Channing Lott, ihr Mann, nichts mit ihrem Tod zu tun haben kann, da bei ihm ja Fluchtrisiko besteht, weshalb er seit April ohne Möglichkeit einer Kaution im Gefängnis sitzt.« Bryce besitzt die bemerkenswerte Gabe, zu reden wie ein Wasserfall, offenbar ohne dabei Luft holen zu müssen. »Wie also kann er sie sechs Monate nach ihrem angeblichen Verschwinden ermordet oder einen Killer auf sie angesetzt haben?«
Ich schlüpfe in meinen Nadelstreifenrock und ziehe den Reißverschluss hinten zu. »Ich möchte nicht, dass du irgendwelche Informationen herausgibst. Bitte kein Wort über diesen Fall.« Hastig streife ich die Bluse über, nestle an den Knöpfen herum und stecke sie ins Taillenbündchen. Es ärgert mich, wie schnell ein Gerücht entstehen kann und wie schwierig es dann ist, es wieder aus der Welt zu schaffen. »Auch nicht die kleinste Anmerkung zu dem Thema, ob unsere Tote möglicherweise Mildred Lott, Emma Shubert oder sonst irgendjemand sein könnte. Hast du mich verstanden?«
»Ja, natürlich. Ich bin doch nicht von gestern und weiß, wie die Presse dazu neigt, alles aufzubauschen.«
Als ich die Schminkbeleuchtung über dem Waschbecken einschalte, bin ich über mein eigenes Spiegelbild erschrocken. Blass. Völlig erschöpft. Die Haare angeklatscht von der Neoprenhaube und dem Untertauchen im kalten Salzwasser. Ich träufle mir Visine gegen Rötungen in die Augen.
»Ich will dich nur warnen. Ich habe keine Ahnung, was dir im Gerichtssaal blüht, denn die können dich fragen, was ihnen gerade in den Kram passt.« Bryce redet immer noch.
Ich gebe mir einen Tupfer Gel ins Haar und zause es ein wenig, damit es ein bisschen mehr Volumen bekommt. Es sieht noch immer zum Fürchten aus.
Sechzehn
Der Verkehr in Boston ist mörderisch, und nirgendwo in der Nähe des John-Joseph-Moakley-Gerichtsgebäudes – ein architektonisches Wunderwerk aus dunkelrotem Backstein und Glas, das den Hafen anmutig umschließt wie zwei Arme – ist ein freier Parkplatz zu sehen. Ich bitte Marino, mich abzusetzen.
»Park irgendwo oder fahr um den Block und warte auf mich. Ich rufe dich an, wenn ich runterkomme.« Ich strecke die Hand nach der Tür aus.
»Auf gar keinen Fall.«
»Hier passt es gut.«
»Nichts da. Schließlich wissen wir nicht, ob sich irgendwelche seiner zwielichtigen
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