Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
Donoghue.
»Nein, das trifft nicht zu.«
»Aber offenbar trifft es zu, dass es Sie nicht interessiert, ob jemand verheiratet ist.«
»Das ist einzig und allein Ihre persönliche Meinung«, antworte ich, weil Steward keinen Finger für mich krumm machen wird.
»Es trifft zu, dass Sie sich nicht um Recht und Gesetz scheren, sondern nach Ihrem eigenen Gutdünken handeln.«
»Das trifft ganz und gar nicht zu«, entgegne ich.
»Aber Benton Wesley war verheiratet.«
»War er.«
»Und Sie haben ihn seiner Frau und seinen drei Töchtern weggenommen.«
»Er hat sich von seiner Frau scheiden lassen. Ich habe ihn weder ihr noch sonst jemandem weggenommen.«
»Dr. Scarpetta? Trifft die Festellung zu, dass Sie selbst entscheiden, was die Wahrheit ist und was nicht?«, versucht sie es noch einmal.
»Das trifft nicht zu«, wiederhole ich.
»Trifft es zu, dass Sie in einer E-Mail an Dan Steward geschrieben haben, Channing Lotts Frau habe sich in ein Stück Seife verwandelt?«
»Das habe ich nie gesagt.«
»Verzeihung. Was haben Sie dann gesagt?«
»In welchem Zusammenhang?«
»Gut, dann werde ich die E-Mail verlesen«, entgegnet sie.
Sie erscheint auf den Flachbildschirmen überall im Raum. Die Adresszeile ist geschwärzt, und sie fragt mich, ob ich erkenne, was ich da sehe. Als ich bejahe, liest sie laut vor:
Dan,
um Ihre Frage allgemein zu beantworten, wobei es auf keinen Fall um Mildred Lott im Besonderen geht: Wenn eine Leiche im März unweit von Gloucester ins Meer geworfen worden und monatelang im kalten Wasser verblieben ist, würden Hydrolyse und Hydrierung der Fettzellen, aus denen sich das subkutane Fettgewebe zusammensetzt, zur Bildung von bakterienresistentem Adipocire führen, einem nach dem Tod auftretenden Phänomen, das den Körper gewissermaßen in Seife verwandelt.
»Erinnern Sie sich daran, Dan Steward diese Mail geschickt zu haben, Dr. Scarpetta?«
»Ich erinnere mich nicht an den genauen Wortlaut.«
»Woran erinnern Sie sich dann?«
»Ich erinnere mich, dass ich Mr. Steward erklärt habe, es werde zu einem Zerfallsprozess namens Verseifung führen, wenn eine Leiche wochen- oder monatelang im kalten Wasser liegt.«
»Sie verwandelt sich also in Seife«, beharrt sie.
»Gewissermaßen.«
»Nicht gewissermaßen, Dr. Scarpetta. Das haben Sie in dieser Mail geschrieben, richtig?«
»Ich glaube, ich habe
verwandelt sich gewissermaßen in Seife
geschrieben.«
»Nur um eines klarzustellen: Gibt es Umstände, unter denen sich ein toter menschlicher Körper in Seife verwandelt?«, hakt sie nach.
»Die Hydrolyse von Fetten und Ölen im menschlichen Körper kann in der Tat eine grobe Seife ergeben. Wegen ihres Aussehens werden solche Tote auch als Wachsleichen bezeichnet.«
»Und diese Seife, Wachsleichen oder Adipocire entstehen nicht über Nacht, richtig?«, fragt sie.
»Richtig. Es kann einige Wochen oder Monate dauern, abhängig von der Temperatur und anderen Faktoren.«
»Und das führt mich zu dem Thema, das heute in sämtlichen Nachrichtensendungen erwähnt wurde.« Es war vorauszusehen, dass sie irgendwann darauf zu sprechen kommen würde. »Die Leiche, die Sie heute beinahe in Sichtweite dieses Gebäudes aus dem Wasser geborgen haben. Wenn man aus dem Gerichtssaal tritt und aus den großen Fenstern schaut, hat man die Stelle, wo Sie vor wenigen Stunden noch auf einem Boot der Küstenwache waren, fast vor Augen, richtig?«
»Richtig.«
»Kennen Sie die Identität der toten Frau, deren Leiche Sie vor einigen Stunden aus dem Wasser geholt haben?«
»Derzeit noch nicht«, antworte ich. Und natürlich lässt Dan Steward ihr das durchgehen.
»Wissen Sie, wie alt sie ist?«
»Nein.«
»Können Sie es schätzen?«
»Ich habe sie noch nicht untersucht.«
»Aber Sie haben die Leiche doch gesehen«, beharrt Donoghue. »Sicher haben Sie sich eine Meinung gebildet.«
»Das habe ich noch nicht.«
»Es ist die Leiche einer erwachsenen Frau, korrekt?« Sie hackt immer weiter darauf herum, weil Steward nichts unternimmt.
»Richtig.«
»Älter als sechzehn? Älter als achtzehn?«
»Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass es sich um die Leiche einer erwachsenen Frau handelt«, entgegne ich.
»Möglicherweise über fünfzig?«
»Ich weiß noch nicht, wie alt sie ist.«
»Ich wiederhole:
möglicherweise.
Ist es möglich, dass sie Ende vierzig, Anfang fünfzig ist?«
»Es ist möglich.«
»Mit langem weißem oder platinblondem Haar.«
»Richtig.«
»Dr. Scarpetta, ist
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