Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

ausgeschrieben oder telefoniert. Meiner Ansicht nach seit mindestens einigen Monaten nicht mehr. Was meinst du, Kay?«
    »Sie wohnt in der Sixth Street«, wendet Benton sich an mich. »Ganz in der Nähe des Polizeireviers von Cambridge, was die Sache noch kurioser macht. Das Haus steht leer. Die Alarmanlage ist aktiviert, ihr Auto parkt in der Garage, jeden Tag fahren Polizisten dort vorbei, und niemand hat etwas bemerkt.«
    »Eine Zeitkapsel«, fügt Douglas Burke hinzu. »Die Feuerwehr steht bereit, um die Hintertür aufzubrechen, sobald wir da sind.«
    »Ich schlage vor, dass du zuerst die Pizzas abholst, die ich dich zu bestellen gebeten habe«, sage ich zu Benton, und zwar in einem Ton, der keinen Zweifel daran offenlässt, was ich ihm mitteilen möchte.
    Das hier ist mein Institut. Das CFC ist dem FBI keine Rechenschaft schuldig. Ich werde den Fall so behandeln, wie ich es für richtig halte.
    »Ich werde sie zuerst obduzieren. Das Haus kann warten«, füge ich in demselben Ton hinzu. »Schließlich tut es das schon seit einem halben Jahr und wird sich deshalb noch zwei Stunden länger gedulden können. Doch bei der Toten dürfen wir keine Zeit verlieren.«
    »Wir haben gehofft, dass Dr. Zenner die Autopsie erledigen kann, während Sie uns begleiten und sich umschauen«, wendet Burke ein.
    »Ganz wie Sie wollen.« Luke steht auf, während Anne in den Röntgenraum geht, um Ned Adams die Ausdrucke zu bringen.
    »Ich fordere Sie auf, uns hier in Ruhe unsere Arbeit machen zu lassen«, entgegne ich, als sich die Tür zum Röntgenraum öffnet. Lucy erscheint auf der Schwelle und blickt mich an. »Einen möglichen Tatort zu untersuchen, ergibt mehr Sinn, wenn wir zuerst in Erfahrung bringen, wie das Opfer gestorben ist und wonach wir überhaupt Ausschau halten.«
    »Kann ich dich kurz sprechen?« Lucy kommt nicht herein.
    »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen. Ich glaube, wir sind für den Moment fertig«, wende ich mich ans FBI .
    »Ich habe dein Auto in der Anlieferungszone gesehen.« Ich begleite Lucy zurück dorthin, bis wir außer Hörweite sind. »Und ich habe mich nach dem Grund gefragt.«
    »Momentan stelle ich mir alle möglichen Fragen.« Meine Nichte ist noch genauso angezogen wie heute Morgen, nämlich ganz in Schwarz. Außerdem ist es ziemlich ungewöhnlich, dass sie sich blicken lässt, während sich das FBI hier herumtreibt. »Zum Beispiel, warum Marino und Machado bei geschlossener Tür im Pausenraum sitzen. Marino spricht so laut, dass ich sie trotzdem streiten gehört habe. Außerdem interessiert mich, warum ein Sikorsky S- 76 , der Channing Lott gehört, heute gefilmt hat, wie du eine Leiche aus dem Wasser holst.«
    »Das war
sein
Helikopter? Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.« Es verschlägt mir die Sprache.
    Weil sich die Ereignisse seitdem derart überschlagen haben, habe ich nicht mehr an den Helikopter gedacht, nachdem ich Lucy auf der Fahrt zum Gericht die Hecknummer gemailt hatte.
    »Das ist wirklich nicht zu glauben«, füge ich hinzu, während sich verschiedene Möglichkeiten in meinem Kopf überschlagen.
    Dan Steward muss es erfahren, bevor er sein Schlussplädoyer hält. Wenn Channing Lott hinter den Filmaufnahmen steckt, die wir gerade bei Gericht gesehen haben – und eine andere Erklärung kann ich mir nicht vorstellen –, müssen die Geschworenen diesen Umstand bei ihren Beratungen berücksichtigen. Aber vielleicht ist es dafür ja schon zu spät.
    »Die Bescheinigung der Flugtüchtigkeit ist auf eine Spedition in Delaware ausgestellt«, verkündet Lucy.
    Ich kann mir gut denken, was geschieht, wenn ich Steward anrufe, um ihm das mitzuteilen. Dann wird er gezwungen sein, dem ganzen Gerichtssaal oder auch nur dem Richter zu erklären, woher er diese Information hat, die Jill Donoghue das Genick brechen wird.
    Halt dich da raus.
    »Seine Flotte umfasst etwa einhundertfünfzig Autotransporter, Containerschiffe und die MV Cipriano Lines«, ergänzt meine Nichte.
    »Verzeihung?« Ich habe nur mit halbem Ohr zugehört.
    »Der Name der Spedition, auf die der Hubschrauber zugelassen ist«, erwidert sie, »ist nach seiner vermissten Frau benannt. Mildred Vivian Cipriano. So hat sie vor der Hochzeit geheißen.«

Einundzwanzig
    Im CFC wird der forensische Zahnarzt Ned Adams nur der Zahnflüsterer genannt, da die Toten ihm so vieles anvertrauen. Alter, Vermögensverhältnisse, Putzverhalten. Und als ob das nicht genug wäre, verraten die Zähne auch etwas über die Essgewohnheiten, den