Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
anhat, solche Blutergüsse davonträgt?«, hakt Luke nach, während ich selbst mit dem Fotografieren beginne, weil Marino nicht hier ist.
Ich verstehe zwar nicht ganz, was los ist, weiß aber, dass er noch immer in der oberen Etage von Machado und dem FBI befragt wird. Es geht um Twitter und die Frau, von der Lucy mir erzählt hat. Eine Frau, die Marino aus dem Internet kennt und zu der er in
mehr als einer Hinsicht den Kontakt abgebrochen hat,
wie Lucy heute Morgen meinte, als sie mir eröffnet hat, dass er im CFC auf einer Luftmatratze übernachtet.
Fotze
war der derbe Ausdruck, den Marino auf der Fahrt zur Küstenwache benutzt hat. Und ganz gleich, was er auch angestellt haben mag, ist es schlechterdings unmöglich, dass er mit
Pretty Please,
oder wie Peggy Lynn Stanton sich sonst im Internet genannt haben mag, twittern konnte. Vielleicht hat Marino in den letzten Tagen und Wochen mit einer Person getwittert, die diesen Nickname benutzt, doch es war eindeutig nicht die Frau auf dem Autopsietisch. Die war nämlich schon längst tot, als er anfing, mit der Person zu twittern, die sich Peggy Stanton nannte. Schon als er sein Twitter-Konto eingerichtet hat, lebte sie nicht mehr. Vermutlich ist sie bereits seit dem Frühling tot und wurde kühl gelagert. Mein Verstand sortiert pausenlos die Informationen. Mein Blut braust.
Meine Gedanken rasen zwischen den verschiedenen Möglichkeiten und Verbindungen hin und her; mein Puls beschleunigt sich. Außerdem versuche ich, mich davon abzulenken, was ich empfinde, wenn Luke mich berührt und mich streift. Und ich ihn gewähren lasse.
»Eigentlich wollte ich dich nicht übergehen«, sagt er nun, da Ned nicht mehr dabei ist. »Ich möchte mich aufrichtig entschuldigen. Ich dachte wirklich, ich wäre dir eine Hilfe.«
Ich nehme einen Einschnitt in die bräunlichen Spuren am rechten Oberarm vor, um festzustellen, ob sie unter der Epidermis gut definiert sind. Ich suche nach Verfärbungen als Folge der Einblutung, die sich in die Dermis oder die tieferen Hautschichten erstreckt, und ich werde fündig.
»Die Frage ist natürlich, woher sie diese Blutergüsse hat.« Ich nehme die Lampe am Griff und leuchte ihre Arme bis hinunter zu den verschrumpelten Fingerspitzen mit den kurzgeschnittenen lackierten Nägeln ab.
Dann überprüfe ich die Unterseiten ihrer Handgelenke und die Handrücken.
»Wegen ihres Zustands ist es sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, zu bestimmen, wie alt die Verletzungen sind«, füge ich hinzu.
Das Licht gleitet über ihren ledrigen Oberkörper und die eingeschrumpften Brüste und beleuchtet ihren runzligen Bauch.
»Allerdings könnten die blauen Flecke auch durch mehrere Kleidungsschichten entstanden sein, wenn der Täter nur fest genug zugepackt hat«, beantworte ich Lukes Frage.
»Ich finde es wichtig zu wissen, ob sie bekleidet war oder nicht«, erwidert er. »Natürlich fällt das mehr in Bentons Abteilung. Ich bin kein Profiler.«
»Das FBI kann ziemlich überzeugend auftreten.« Ich leuchte Hüften und Oberschenkel ab. »Ganz sicher umso mehr in deinem Fall, weil Benton mit dabei war. Doch wir arbeiten nicht für die Strafverfolgungsbehörden, Luke.«
»Natürlich nicht.«
»Es unsere Pflicht, die Fragen, die die Beweisstücke uns stellen, objektiv zu beantworten.« Ich richte die Lampe auf ihre Knie. »Dabei müssen wir penibel darauf achten, dass die Kette der Personen, durch deren Hände diese Beweisstücke gegangen sind, nicht unterbrochen wird. Und das heißt, wir gestatten dem FBI keinen Zutritt zu unseren Labors und lassen uns von diesen Leuten auch nicht zur Eile antreiben, ganz gleich, wie dringend sie die Angelegenheit auch darstellen mögen.«
»Er ist dein Mann, also habe ich angenommen …«
»Dass unsere Ehe Einfluss darauf hat, wie er oder ich unsere Arbeit machen?«
»Es tut mir leid«, wiederholt Luke. »Aber nach der Laune, die er in Wien hatte …«
Er braucht den Satz nicht zu beenden. Es ist überflüssig, auszusprechen, dass Benton weiter zu verärgern das Letzte ist, was er nach diesem Eifersuchtsanfall riskieren will. Luke weiß, dass er ihn auf die Palme bringen könnte. Und er kennt auch den Grund. Also werde ich weder meine Ehe mit ihm erörtern noch erklären, dass Benton Anlass hätte, ihn als Bedrohung zu empfinden.
Ich werde Luke Zenner auf gar keinen Fall anvertrauen, das mein Mann und ich in letzter Zeit einige Auseinandersetzungen hatten. Ungewissheit und Misstrauen, die nicht so aus der Luft
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