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Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

Titel: Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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keine Spuren auf ihrer Haut hinterlassen hat.«
    »Möglich.«
    »Ich stelle es mir so vor, dass der Täter von hinten an sie herangetreten ist.« Er hält die Hände hoch, greift nach imaginären Armen und setzt Fingerspitzen und Daumen an, als würde er jemanden rücklings an den Oberarmen packen. »Vielleicht um sie gewaltsam weiterzuschieben, zum Beispiel in ein Zimmer. Oder sie war bewusstlos und wurde geschleppt. Möglicherweise war sie ja auch an einen Stuhl gefesselt und sollte gezwungen werden, Informationen preiszugeben, etwa um ihre Identität zu stehlen. Ihre PIN -Nummer, ihre Passwörter.«
    Ich richte die Lampe auf ihre Unterschenkel und strahle Knöchel und Füße von allen Seiten mit dem grellen Licht an. Dabei entdecke ich weitere bräunliche Verfärbungen, nur dass diese dunkler, schorfiger und nicht so scharf umrissen sind. Ich nehme das Skalpell und ritze sie ein wenig ein. Die dunklen Hautstellen haben die Elastizität verloren und sind deshalb ziemlich hart. Das Gewebe darunter weist keine Spuren von Blutungen auf. Keine Blutergüsse also, sondern auf andere Art und Weise verursachte Spuren. Ich finde noch mehr davon auf ihren nackten Fußrücken und rings um die Knöchel.
    Als wir sie auf die Seite drehen, damit ich ihren Rücken in Augenschein nehmen kann, stoße ich auf zwei weitere unscharfe und verhärtete braune Stellen an der Unterseite ihres rechten Ellbogens und Unterarms.
    »Keine Ahnung, was das sein soll«, wundere ich mich. »Ich tappe völlig im Dunkeln.«
    »Vielleicht erst nach dem Tod entstanden?«
    »So etwas ist mir noch nie untergekommen.« Ich nehme eine kleine Probe der harten braunen Haut für die Histologie. »Es fühlt sich an, als schnitte man durch hartes Leder. Was mag so etwas auslösen? An manchen Stellen sind zehn mal zwölf Zentimeter große Hautflächen betroffen.«
    »So etwas wie Gefrierbrand womöglich?«
    »Nein, wenn der Grund wäre, dass sie in einer Gefriertruhe gelegen hätte, müssten sich diese Flecken über den ganzen Körper verteilen.«
    »Und wenn nur einige Körperpartien mit Metallteilen im Inneren einer Gefriertruhe in Kontakt gekommen sind?«, beharrt er.
    »Dann wäre die Haut kleben geblieben.«
    Ich führe die Skalpellspitze in die ledrige Haut knapp unterhalb des linken Brustbeins ein, führe sie abwärts und wiederhole das Ganze dann links und rings um den Nabel bis hinunter zum Schambein. Es ist, als nehme man einen Y-Schnitt in glitschigem Leder vor. Ich schlage Gewebe zurück, durchtrenne die Rippen und entferne den Brustkorb. Anschließend schneide ich unterhalb des Kiefers ein, um die im Hals befindlichen Organe und die Zunge zu entnehmen.
    »Das Zungenbein ist intakt.« Bei der Arbeit mache ich mir Notizen auf einem Körperdiagramm. Inzwischen ist der Verwesungsgeruch übermächtig. »Keine Anzeichen von Verletzungen an Muskeln des Zungenbeins und weichem Gewebe. Weder Blockade der Atemwege noch ein Geruch, der auf Erstickungstod durch eine Chemikalie wie zum Beispiel Zyanid hinweist. Zunge unversehrt.«
    Luke schlägt die Kopfhaut zurück. Dann hallt das laute Pfeifen und Knirschen der oszillierenden Säge durch die Luft, und Knochenstaub schwebt im grellweißen Lichtkegel. Ich öffne die wichtigsten Blutgefäße, die untere Hohlvene und die Aorta, und stelle fest, dass sie wie erwartet bis auf ausgetrocknete hämolytische Rückstände leer sind. Nichts deutet auf Blockaden, Verletzungen oder eine Krankheit hin, nur eine leichte Verkalkung, die ganz sicher nicht die Todesursache war.
    »Das Gehirn ist zum Sezieren zu weich«, meldet Luke. »Aber ich kann auch keinen Hinweis auf eine Hirnverletzung erkennen. Die Dura ist intakt und frei von Verfärbungen.«
    Ihre Organe sind verwest. Die Lungenflügel sind zusammengesackt, rötlich violett und sehr schwammig, die Luftröhren frei von Wasser, Schaum, Sand oder Fremdkörpern. Die Gallenblase ist trocken und eingeschrumpft und ohne Gallenreste. Mit jeder Minute, die wir weiterarbeiten, wird klarer, dass wir bei dieser Autopsie nur nach dem Ausschlussverfahren vorgehen und mögliche Todesursachen von unserer Liste streichen können. Wir haben wenig Zweifel daran, dass sie entweder erstickt ist oder vergiftet wurde. Allerdings wird es eine Weile – mindestens ein paar Tage – dauern, bis uns die genauen Ethanol- und Drogenwerte aus der Leber vorliegen.
    »Ich kann keine Petechien erkennen.« Luke öffnet beide Augen. »Keine ungewöhnlichen Einblutungen in Sclera und Conjunctiva.

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