Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochenbrecher (German Edition)

Knochenbrecher (German Edition)

Titel: Knochenbrecher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
Vom Netzwerk:
Jakobsmuschel, Tintenfisch, Shrimp, Gurke und Hokkaidokürbis entschieden. Die viel zu große Menge Wasabi, die Greven gleich beim ersten Bissen erwischte, schoss durch seine Nase und riss ihn im Bruchteil einer Sekunde aus den Dünen. Tränen krochen aus seinen Augen, seine Stimme versagte.
    »Das ist nicht der angerührte, sondern der aus der Tube«, kommentierte Mona seinen Versuch, die überschüssigen Senföle der japanischen Wurzel, die seine Schleimhäute attackierten, durch wildes Ausatmen loszuwerden.
    »Das habe ich gemerkt«, hauchte er nach kurzer Pause und stattete die nun ausgewählte Jakobsmuschel äußerst sparsam mit der grünen Paste aus, obwohl er deren Schärfe eigentlich sehr schätzte. Er neutralisierte den Geschmack mit frischem Gari, den Mona wie das Sushi immer selbst zubereitete, und wandte sich dem Tintenfisch zu. Im Gegensatz zu anderen kalorienarmen Gerichten zählte Sushi zu seinen absoluten Favoriten, seit er während seiner Ausbildung das erste Mal in einer Sushi-Bar gewesen war. Damals hatte Sushi noch als exotisch gegolten und war nicht in jeder besseren Kaufhauskühltruhe zu haben gewesen.
    »Noch Tee?«
    »Danke«, sagte Greven mit vollends wiederhergestellter Stimme.
    »George hat übrigens vorhin angerufen. Unsere Vernissage ist um zwei Tage verschoben worden. Wegen Reparaturen am Stromnetz«, begann Mona ein neues Thema.
    »Spielt das eine Rolle für dich? Deine Bilder sind doch fertig.«
    »Ich wollte an dem Tag eigentlich Henny besuchen, bevor sie nach London fliegt.«
    Greven war bei den Shrimps angekommen. »Wann kommt sie zurück?«
    »Anfang März. Sie nimmt doch an diesem europäischen Kunstprojekt teil«, erklärte Mona, die sich vor allem um den Kürbis kümmerte, dessen Aroma sie liebte. Dann erzählte sie von der Tate Modern, die sie ebenso liebte, und die am Samstag bis 22.00 Uhr geöffnet hatte. Dort wurde vor den Bildern diskutiert und gestritten, wie es in deutschen Museen kaum zu beobachten war. Bei ihrem letzten Besuch im März hatte der VW-Bus von Joseph Beuys, aus dem gut ausgerüstete Schlitten quollen, die Gemüter besonders erhitzt.
    Erst nach dem japanischen Abendessen, zwei Kannen grünen Tees und einer fast geleerten Tube Wasabi kehrten Grevens und Monas Gedanken wieder zu den beiden Morden und dem Zeitungsausschnitt zurück.
    »Der Artikel? Eine gute Frage. Unverkennbar ein Tipp. Doch warum anonym? Wir haben doch die ganze Nachbarschaft befragt. Warum hat uns niemand auf diesen engagierten neuen Arzt hingewiesen?«, sagte Greven.
    »Weil niemand auf einen möglichen Zusammenhang gekommen ist«, meinte Mona, »das ist doch klar. Für den anonymen Hinweis habe ich auch Verständnis. Für so einen vagen Tipp will doch niemand seinen Ruf verlieren.«
    »Da hast du auch wieder recht«, nickte Greven, dessen Zunge begonnen hatte, nach einem Grappa zu suchen, der nicht zu finden war, obwohl der Zeitpunkt absolut passend gewesen wäre. »Der Informant muss auf jeden Fall mein Auto gekannt haben.«
    »Muss er nicht«, entgegnete Mona. »Er hat dich zufällig gesehen, wie du ausgestiegen bist. Und da hat er sich gedacht, der weiß bestimmt nicht, dass unser neuer Arzt es auf Tante Hedda und ihre Kollegen abgesehen hat. Das wäre doch bestimmt interessant für ihn. Dann ist er nach Hause gegangen und hat dir den Artikel unter den Wischer geklemmt. Mit Wissen und Spionieren hat das gar nichts zu tun.«
    »So kann es natürlich auch gewesen sein«, gab Greven nach.
    »Hast du schon einen Termin?«
    »Hätte ich fast vergessen. Morgen um halb acht. Sonst halte ich den Praxisbetrieb auf, hat seine Helferin gemeint.«
    »Da musst du ja früh raus«, meinte Mona. »Keine leichte Aufgabe.«
    War es auch nicht, denn sechs Uhr war einfach nicht Grevens Zeit. Er brauchte im Normalfall eine gute halbe Stunde, um zu dem vorzudringen, was gemeinhin Wirklichkeit genannt wurde. Mürrisch und mit drei Tassen Kaffee im Magen machte er sich auf den Weg, den er schon so oft gefahren war. Die Luft war kalt, die Straßen waren ungewohnt leer. Der Berufsverkehr hatte noch nicht eingesetzt. Unmittelbar vor Marienhafe kam ihm ein Tieflader mit einer Jacht entgegen. Die auswärtigen Hobbykapitäne verließen die Küste, bevor die ersten Herbststürme über das Land zogen. Ein modernes Boot, das nach einem Messekauf aussah. Teuer, luxuriös und schnell. In seinen Träumen fuhr er andere Schiffe.
    Als Greven in Greetsiel eintraf, kämpfte er noch immer mit den Resten der kurzen Nacht,

Weitere Kostenlose Bücher