Knochenbrecher (German Edition)
Ort. Mehr interessiert mich natürlich das Alibi von Klaus Bogena.«
»Fährst du selbst hin?«
»Ich bin zwar kein guter Überbringer schlechter Nachrichten, aber da ich schon mit ihm gesprochen habe, ist es besser, ich mach das selbst.«
»Und wenn er ein Alibi hat?«
»Dann sollten wir uns diese sonderbare Branche sehr genau ansehen«, sagte Greven. »Ich habe da meine Fühler schon mal vorsorglich ausgestreckt.«
»Das klingt ja fast so, als hättest du doch schon eine Ahnung.«
»Pures Misstrauen«, brummte Greven.
»Zur Branche gehören auch die Kunden, falls dir das Wort Patienten nicht gefällt.«
»Nur, dass wir diese Kunden nicht namentlich kennen«, bedauerte Greven.
»Nicht im Fall von Hedda«, lächelte der ansonsten eher ernste Häring überlegen, »aber die von Almuth kennen wir schon. Korrekt, wie sie war, hat sie nicht nur die Honorare ordnungsgemäß in ihre Bücher eingetragen, sondern auch die Gebrechen ihrer Kunden und deren Namen.«
»Warum hast du das nicht gleich gesagt?«, murrte Greven ungehalten. »Okay, weil ich dich nicht danach gefragt habe.«
»Nein, weil du dich so auf ihr Vermögen gestürzt hast und wir erst jetzt auf diesen Aspekt gekommen sind«, bemerkte Häring trocken. »Ich werde mir die Namen gleich vornehmen und mit denen der Meta -Liste vergleichen.«
»Die Chancen sind gering«, sagte Greven, »aber wir vervollständigen unser Puzzle.« Um sich für seinen doch etwas ruppigen Ausfall zu entschuldigen, fügte er zwei Worte hinzu, die in amerikanischen Fernsehkrimis häufig fielen, und die ihm daher schon wieder peinlich vorkamen, als sie ausgesprochen hatte: »Gute Arbeit.«
»Warst du schon oben?«, fragte Häring unbeeindruckt. »Wenn nicht, musst du dir unbedingt etwas ansehen. Vielleicht auch ein Puzzleteil.«
Häring führte ihn in das Schlafzimmer des Opfers, das schlicht und mit gängigen Möbeln aus dem Kaufhaus eingerichtet war, cremefarben und mit pflegeleichten Kunststoffoberflächen, kein Doppelbett, die Tapete geblümt wie die Wachsdecke vom alten Ysker. Das magische Flair des abgedunkelten Behandlungszimmers fehlte völlig. Ohne dass Häring ein Wort zu sagen brauchte, wusste Greven gleich, was seinem Kollegen aufgefallen war. Auf der Spiegelkommode stand ein ganzer Wald gerahmter Fotografien, die ausnahmslos Klaus Bogena zeigten, und zwar in allen bisherigen Lebensphasen, vom Baby bis zum Lehrer. Auf einem war er mit Schultüte zu sehen, ein anderes zeigte ihn mit etwa zehn Jahren beim Angeln am Ufer eines Tiefs. Ob als pubertierender Gymnasiast oder trainierender Student, als Referendar im T-Shirt einer Göttinger Schule oder auf einem Norder Sportplatz, keine Station hatte die kleine große Ausstellung ausgelassen. Noch dazu hatte die Mutter alle Fotos auf der Rückseite beschriftet und mit einem Datum versehen. Greven ging alle Fotos durch und wandte sich dann Häring zu: »Fällt dir was auf?«
»Keine anderen Menschen, wenn man von dem Foto mit seinen Kollegen absieht. Und somit auch keine Frau.«
»Genau das meine ich.«
»Denkst du, er ist schwul?«
»Schwer zu sagen. Glaub ich aber nicht und spielt auch keine Rolle. Einen Ehering trägt er jedenfalls nicht. Andererseits ist auch kein anderer Mann auf den Fotos zu sehen. Viel interessanter finde ich die Anzahl. Jede Mutter hat irgendwo Bilder ihrer Kinder an der Wand oder auf einem Regal. Aber das sind mindestens dreißig Fotos. Alle staubfrei. Das ist ja der reinste Altar.«
»Wenn du damit hinkommst. Und nun sieh dir das einmal an«, sagte Häring und ging auf den Kleiderschrank zu, der dem Bett gegenüber an der Wand stand. Er öffnete die beiden Türen, auf deren Innenflächen je ein lebensgroßes, farbiges Portraitfoto von Klaus Bogena mit Reißzwecken befestigt war. »Das sind professionelle Fotos von einem Fotografen.«
»Und aktuelle noch dazu. Die sind bestimmt kein Jahr alt«, staunte Greven und popelte die Reißzwecken des rechten Fotos aus der Hartfaserplatte. Die Rückseite trug den Stempel eines Marienhafer Fotostudios und eine handgeschriebene Datumsangabe.
»Sag ich doch, kein Jahr alt«, stellte er fest und fuhr mit den Fingern über die zahllosen Einstiche in der Schranktür, die hinter den Ecken des DIN-A4-großen Fotos zum Vorschein gekommen waren. »Es sind nicht die ersten Portraits von Klaus, die sie hier angebracht hat. Hansen wird die anderen schon finden.«
Einer Eingebung folgend, ging Greven in die Knie und sah zunächst unter das Bett und anschließend
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