Knochenbrecher (German Edition)
unterminierte.
»Ein modernes Brillenetui«, stellte Hansen verwundert fest. »Aus billigem Kunststoff, nichts Teures, eher aus dem Supermarkt, mit einem Klipp für die Jackentasche, also mehr für männliche Brillenträger gedacht. Der Größe nach zu urteilen, wahrscheinlich für eine Lesebrille.«
»Frau Bogena war keine Brillenträgerin, soweit ich weiß«, sagte Greven und hob den Kunststoffbeutel ins Licht, in den die Spurensucher das Etui gesteckt hatten. »Oder habt ihr irgendwo eine Brille gefunden?«
»Haben wir nicht«, war die Antwort von einem der Weißgekleideten, der gerade seinen Koffer schloss.
»Dann ab ins Labor«, ordnete Hansen an. »Vielleicht finden wir Haare oder Hautschuppen.«
Als Häring, der sich im oberen Stockwerk umgesehen hatte, den Raum betrat, wurde er sofort von Greven überfallen: »Was machen die Finanzen?«
»Sind gesichert, denn Almuth Bogena hat alle ihre Einnahmen ordnungsgemäß in ein Buch eingetragen, auf ein Konto eingezahlt und versteuert. Kontoauszüge und Steuererklärungen stehen sauber abgeheftet und beschriftet in ihrem Büro unterm Dach.«
»Letzter Kontostand?«, fragte Greven provokativ.
»Hält sich in Grenzen, falls du darauf anspielst«, antwortete Häring. »Auf ihrem Geschäftskonto sind rund zweitausend Euro, auf dem Privatkonto fast tausend.«
»Irgendwelche Anlagen? Aktien, Investmentfonds, Kapitallebensversicherungen, Pfandbriefe?«
»Ich bin froh, die Auszüge so schnell gefunden zu haben«, wehrte sich Häring gegen das Tempo seines Vorgesetzten, »aber für mehr brauche selbst ich noch ein paar Minuten.«
»In ihrer Kasse waren hundertfünfzig Euro. Einen Raubmord können wir also mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen«, dachte Greven laut, ohne auf Häring einzugehen.
»Die Ringe darfst du nicht vergessen«, warf Hansen ein.
»Ja, die Ringe. Ein Karton mit zehn, vielleicht fünfzehn Messingringen, die sie für Stück 25 Euro verkauft hat. Wahrscheinlich ein Fantasiepreis. Egal, was die im Einkauf gekostet haben, sie stellen keinen großen Wert dar.«
»Warum wurden sie dann gestohlen«, dachte Häring mit, »wenn die nichts wert sind? Messing ist schwer. Hier gibt es doch weitaus lohnendere Beute, etwa die Bücher oder dieses astronomische Gerät.«
»Aus einem anderen Grund als einem materiellen«, antwortete Greven, ohne eine konkrete Vermutung über diesen Grund zu haben. »Vielleicht hat unser Mörder ein größeres Strahlungsleck unter seinem Bett entdeckt und wollte sofort handeln. Doch das ist nicht die Frage, sondern die, wie die beiden Morde zusammenhängen. Wenn der finanzielle Aspekt ausscheidet …«
»Das ist nicht gesagt«, unterbrach ihn Häring. »Der Mörder könnte ebenso wenig wie wir gewusst haben, dass Almuth Bogena mit ihren Einnahmen gänzlich anders verfährt als ihre Schwester. Wenn er nun doch bei Hedda den Jackpot gefunden und sich irgendwie in die Jacke gestopft hat, dann könnte er auch bei Almuth reiche Beute vermutet haben.«
»Da hast du natürlich recht«, stimmte ihm Greven zu, »obwohl ich das mit der Jacke eigentlich ausschließe. Aber denkbar ist es, ohne Frage. Erinnere dich nur mal an den Fall Bekker. Der hat gleich drei Rentner umgebracht, und das für ein paar hundert Euro, die er schon nach ein paar Tagen versoffen hatte. Aber hier liegt die Sache anders, und das sagt mir nicht nur mein höchstsensibles Knie. Ein Täter wie Bekker hätte sich nie vor seiner Tat behandeln lassen, hätte die Ringe nicht mitgenommen und auch keine abgeschnittenen Haare drei verschiedener Menschen zurückgelassen. Nee, Peter, hier geht es um etwas ganz anderes.«
»Was vermutest du? Ich kann mir auf alles noch keinen Reim machen«, gab Häring freimütig zu.
»Ich leider auch nicht«, sagte Greven, »obwohl wir zwei eindeutige Gemeinsamkeiten der beiden Opfer kennen: Sie waren Geschwister und sie waren als Wunderheiler tätig.«
»Wenn es jemand aus der Familie war, dann kommt eigentlich nur Klaus Bogena in Frage«, setzte Häring den Gedankengang fort, »da die anderen drei noch lebenden nahen Verwandten viel zu alt und gebrechlich sind. Und die wenigen entfernten Verwandten, die ich auftreiben konnte, leben in Hamburg und Schleswig-Holstein und haben längst keine Kontakte mehr nach Ostfriesland. Ich habe doch erst gestern mit Hinrich Bogena telefoniert. Übrigens der einzige, der überhaupt noch Bogena heißt.«
»Gut, deren Alibis sollten wir trotzdem überprüfen lassen. Von den lieben Kollegen vor
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