Knochenbrecher (German Edition)
unter den Schrank. »Alle Ringe hat der Mörder nicht erwischt, sofern er wirklich der Dieb ist. Unter dem Bett liegen sogar zwei, unter dem Schrank einer.«
»Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht«, zitierte Häring.
»Jetzt fängt der auch noch an«, stöhnte Greven. »Reich mir lieber mal deine Hand und hilf mir aufstehen. Die Kraft der Ringe scheint nachzulassen. Ich spür das Atlantiktief in meinem Knie, das die Meteorologen seit Tagen beschwören.«
»Oder doch den Mord«, unkte Häring.
15
»Was ist denn das für ein Ding?«
»Ach das … das ist auch so ein Objekt, das einige der hiesigen Wunderheiler einsetzen, um Erdstrahlen den Garaus zu machen«, erklärte Greven beiläufig.
»Ich dachte, dafür gibt’s die Ringe?«, wunderte sich Mona.
»Da gehen die Meinungen der Esoteriker weit auseinander. Manche schwören eben auf diese Pyramiden. Und da bei Almuth Bogena ein ganzer Karton mit Ringen gestohlen worden ist, haben wir uns umgehört und dieses Alternativmodell besorgt.«
»Um was damit zu machen, wenn ich das als Laie fragen darf?«
»Das wissen wir auch noch nicht genau. Aber da diese obskuren Objekte irgendeine Rolle zu spielen scheinen, haben wir uns einfach einmal umgesehen. Schließlich wissen wir nicht, wie weit manche Wunderheiler ihre Konkurrenz treiben.«
»Erdstrahlen als Motiv.« Dieser Ansatz gefiel ihr. »Das wäre ja wie beim Malteser Falken, dem alle nachjagen, obwohl es nur ein Modell ist, und man nie erfährt, ob er wirklich einmal existiert hat.«
»So in der Art kann man sich das vorstellen«, stimmte Greven ihr zu. Dabei verstaute er den Ring im Karton der Pyramide und trug ihn dann nach oben in sein Arbeitszimmer, das er, so wie es juristisch aussah, nicht mehr von der Steuer absetzen konnte.
Als er wieder im Atelier eintraf, grübelte Mona noch immer über das Motiv nach: »Das Imaginäre führt zu einem realen Mord.«
»Mona, das ist allerdings sehr häufig der Fall, denn bei Eifersucht oder Rache spielt das Imaginäre in Form einer Vorstellung oder eines Vorurteils oft eine entscheidende Rolle.«
»Aber hier hat das Imaginäre einen Namen: Erdstrahlen. Kein Physiker kennt sie oder kann sie messen. Doch was weiß ich, wie viele Menschen ihre Betten verrücken oder Ringe und sonst etwas kaufen, um ihnen zu entgehen. Und wie unterschiedlich oder sich sogar eindeutig widersprechend die Methoden der Wunderheiler sind. Da ist ein Streit quasi programmiert.«
»Darum werden wir uns die Damen und Herren ja auch näher ansehen«, sagte Greven.
»Und das Alibi von diesem Klaus Bogena ist wirklich wasserdicht?«
»Treffender könnte man es nicht ausdrücken. Bogena ist seit gestern mit einer neunten Klasse als männliche Begleitperson auf Juist. Als die erste Fähre heute Mittag in Norddeich angekommen ist, war seine Mutter schon gut eine Stunde tot.«
»Hendrik lebt auch auf Juist und fährt nie mit der Fähre. Er hat, wie so viele Insulaner, ein eigenes Boot.«
»Das wäre natürlich eine Möglichkeit. Doch hätte Bogena mehr drehen müssen, als sich nur ein Boot zu besorgen. Denk nur mal an die Schulklasse.«
Genau an die hatte Greven seit dem Telefongespräch denken müssen, das er mit Klaus Bogena geführt hatte, nachdem er ihn weder in seiner Wohnung noch im Ullrichsgymnasium angetroffen hatte. Bogena hatte die Nachricht mit Fassung aufgenommen, war zumindest für die Dauer des Gesprächs ruhig und gefasst geblieben. Nur zu gerne hätte Greven sein Gesicht gesehen, doch darauf hatte er nun mal verzichten müssen. Unmittelbar danach hatte sich Bogena zum kleinen Flugplatz im Osten der Insel begeben, um auf dem schnellsten Weg zum Festland zurückzukehren. Auf dem schnellsten Weg. Der Flug dauerte nicht lang, wie Greven aus eigener Erfahrung wusste, denn er hatte vor gut einem Jahr seiner Kollegin Wencke Tydmers auf diese Weise einen dienstlichen Blitzbesuch abgestattet. Noch dazu konnten auf dem Flugplatz auch Privatmaschinen landen. Dennoch schob sich immer wieder die Schulklasse vor alle Varianten, die er durchspielte, und die Klasse hatte zur Tatzeit eine Wanderung durch die Dünen absolviert. Mit ihrer Klassenlehrerin und Bogena als Aufsichtspersonen.
Greven suchte noch immer nach Wegen aus den Dünen, als er sich an den kleinen Tisch im Wohnzimmer setzte, den Mona japanisch eingedeckt hatte. Auf einem schlichten Brett aus Ahornholz warteten verschiedene Nigiri- und Maki-Sushi auf die schwarzen Essstäbchen. Mona hatte sich für Thunfisch,
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