Knochenbrecher (German Edition)
er in diesem Moment beschützen und verteidigen wollte. Der innere Kampf war kurz und heftig, dann lockerten seine Hände den Würgegriff und gaben den Sessellehnen ihre gewohnte Form zurück.
»Das war gar nicht meine Frage, aber wenn Sie es schon ansprechen, nehme ich es natürlich zur Kenntnis. Hat Sie jemand auf dem Deich gesehen?«
»Zwei weitere Jogger und ein Mann mit Hund. Niemand, den ich kenne. Aber das ist ja für Sie kein Problem. Mich können Sie jedenfalls getrost von Ihrer Liste streichen. Ich streite mit dem Wort, nicht mit der Waffe«, dozierte Weygand leicht gereizt, die Beine übereinander geschlagen und sich langsam auf seinem Ledersessel hin- und herdrehend. »Wie es sich für einen gebildeten Menschen gehört.«
»Ich hatte Sie gar nicht auf diese Liste gesetzt«, erwiderte Greven, »doch wenn Sie so sehr darauf bestehen, werde ich dies natürlich nachholen. Ich wollte nichts weiter, als Ihre Ansicht über die Wunderheilerbranche erfahren. Als Experte auf diesem Gebiet. Ich schicke Ihnen einen Kollegen vorbei, der Ihre Beschreibung der Personen aufnimmt, denen Sie zur Tatzeit begegnet sind. Nun will ich Sie nicht länger aufhalten. Ihre Mitarbeiterin hatte mir ohnehin nur ein paar Minuten eingeräumt.«
»Vernehme ich da etwa einen Misston? Wie soll ich mir denn den erklären, Herr Kommissar? Nehmen Sie es mir etwa übel, dass Ihre Gedanken so leicht zu erraten sind? Bleiben wir doch sachlich. Hier, vielleicht kann ich damit einen Stimmungswandel in Ihnen hervorrufen«, sagte der Arzt therapierend und öffnete eine blaue Aktenmappe, die er aus einer Schublade holte. »Ich habe gleich nach Ihrem Anruf diese Mappe mit relevanten Beiträgen aus Zeitungen und Zeitschriften für Sie zusammenstellen lassen. Sie werden sehen, ich habe meine Hausaufgaben gemacht«, wobei die Betonung auf dem »ich« lag.
Greven rang nun noch heftiger mit einem möglichen Ausbruch, erhob sich mit zusammengepressten Lippenund nahm die Mappe entgegen. Nach einem kurzen, oberflächlichen Durchblättern war er wieder in der Lage, eine Frage zu stellen: »Kannten Sie eigentlich Hedda Bogena oder ihre Schwester?«
»Da muss ich Sie leider enttäuschen, ich bin den beiden Opfern nie persönlich begegnet. Nur ihre … Aktivitäten waren mir bekannt, wobei ich die von Almuth Bogena angepriesenen Ringe für einen ganz besonderen, verzeihen Sie den Ausdruck, Schwachsinn gehalten habe. Wie kann man sich nur so etwas andrehen lassen?«
»Da bin ich überfragt«, sagte Greven. »Kennen Sie denn einen der anderen in Ostfriesland aktiven Wunderheiler?«
»Auch da muss ich Sie enttäuschen. Ich habe meine Informationen in erster Linie von meinen Patienten, die mir hier und da über ihre Besuche bei einem dieser Magier berichten. Eine andere Quelle sind meine Kollegen. Noch eine Frage? Wir müssen nun doch langsam zum Ende kommen. Ich muss noch mehrere Berichte diktieren, bevor meine Damen erscheinen.«
»Gehen Sie eigentlich manchmal zu Meta ?«
» Meta ? Das ist doch diese Norddeicher Diskothek? Wie kommen Sie denn jetzt darauf?«
So leicht waren seine Gedanken also doch nicht zu erraten. Ein Lächeln huschte über Grevens Gesicht, das Dr. Weygand nicht zu deuten wusste. Greven blieb stumm und wartete die Antwort ab.
»Nein, ich gehe nicht in Diskotheken. Ich bevorzuge andere Lokalitäten.«
Kaum hatte sich Greven erhoben, begann der Arzt auch schon, seine Berichte in ein kleines Diktiergerät zu sprechen, ganz so, als sei er bereits allein im Raum. Sein Redefluss war gewaltig. Greven hatte keine Ahnung, wie er ohne Unterlagen Namen, Diagnosen und Therapiemaßnahmen auswendig herunterrattern konnte. Die Sekretärin tat ihm spontan leid, die diese Informationen bändigen musste. Als er das weiße Resopalreich der Arzthelferinnen durchquert hatte, drang die markante Stimme noch immer durch die Tür, die nicht ins Schloss gefallen war, an sein Ohr. Verstehen konnte er jedoch nichts mehr. Bis auf einen Namen, den seine selektive Wahrnehmung herausfilterte: Manfred Garrelt.
16
Zum vierten Mal hintereinander ging das Telefon. Zum vierten Mal meldete sich eine Frau Wurtel, die sich über ihren Nachbarn beschweren wollte. Zum vierten Mal versuchte Peter Häring ihr zu erklären, dass ihr in dieser Sache die Mordkommission nicht helfen könne.
»Hoffentlich hat sie es diesmal kapiert«, stöhnte Häring, der an seinen Klapprechner zurückkehrte, um eine Exceldatei zu vervollständigen. Greven hatte inzwischen die
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